Den regionalen Geschmack wiedergefunden

Patricia Michaud

Sein fruchtiger Geschmack und seine cremige Textur machen seine Verkostung zu einem intensiven kulinarischen Erlebnis. Der Vacherin Montd’Or, der zwischen Mitte August und Mitte März im Vallée de Joux (VD) und am Fusse des Waadtländer Juras handwerklich hergestellt wird, ist einer der bekanntesten Westschweizer Käse. Vor zwanzig Jahren erhielten die Mitglieder der Branchenorganisation Interprofession du Vacherin Mont-d’Or, die 1999 gegründet worden war, ihre Interessen rund um diesen Käse zu wahren und seine Produktion zu erhalten, die höchste Auszeichnung: die geschützte Ursprungsbezeichnung AOP. Der Käse ist auch wegen seiner runden Fichtenholzschachtel berühmt, die ihm als Kokon dient und ihn in den Kühlregalen der Lebensmittelgeschäfte auf den ersten Blick erkennbar macht.

Bis vor zwei Jahren wurde diese so charakteristische und sympathische Verpackung ausserhalb der Region hergestellt, sogar ausserhalb des Landes, im benachbarten Frankreich, zwar mit einheimischem Holz – der Risoud-Wald, der grösste zusammenhängende Wald Europas, liegt in Grenznähe –, aber in einer französischen Werkstatt. Interprofession wollte aber sicherstellen, dass die Schweizer Affineure die gesamte Produktionskette beherrschen und der Vacherin Mont- d’Or wieder ein vollständig lokaler Käse wird, einschliesslich der Verpackung.

Sie setzte dazu eine Kommission ein, die nach Lösungen suchen sollte, um die Schachteln wieder in der Region herzustellen. Getragen von einer öffentlich-privaten Finanzierung mit lokaler Ausrichtung, wurde 2021 eine GmbH mit dem Namen Valartibois gegründet, die die Schachteln wieder in der Region herstellt. Sie stützt sich auf das Know-how eines Forstunternehmens aus dem Vallée de Joux und nutzt historische Maschinen, die zu diesem Zweck aufgekauft wurden. Mit diesem Schritt sehen die Projektverantwortlichen auch die Bedeutung des AOP-Labels des Vacherin Mont-d’Or gestärkt. Davon profitiert die ganze Region.

NRP-Projekt in der regiosuisse-Datenbank

Hier finden Sie die Langfassung in Französisch.

Weitere Artikel

«langsamer, leichter und lokaler»

Jana Avanzini

Es war nicht immer leicht, in den vergangenen Jahren auf Reisen zu gehen. Doch die Entwicklung vor und auch nach der Pandemie zeigt in der Schweiz einen Trend zu immer längeren und emissionsreicheren Reisen. Mit dem Projekt «bleib hier» wollte die Mobilitätsakademie des TCS, unterstützt durch die Koordinationsstelle für nachhaltige Mobilität (KOMO), dieser Entwicklung entgegentreten. Das Projekt fördert langsameres, leichteres und lokaleres Reisen und stellt dabei Angebote für Ferien zuhause, Mikroabenteuer in der Region oder Camping-Angebote mit Cargo-Bikes ins Zentrum. Als erfolgversprechend für die Zukunft haben sich Camping-Ferien mit dem Lastenvelo herausgestellt.

Ein Ausflug mit dem hübschen alten VW-Bus, mit dem Car die Familie in Ungarn besuchen, zum Skifahren mit dem Auto in die Berge fahren oder für die Ferien nach Irland fliegen: Es ist nicht der tägliche Pendlerstau für die Arbeit, es sind die Reisen, die wir in der Freizeit unternehmen, die in der Schweiz den grössten Teil des Gesamtverkehrs ausmachen. Besonders der Flugverkehr dominiert die Emissionen im Mobilitätsbereich. Für ganze 18 Prozent des Treibhausgasausstosses ist er verantwortlich. Ferienreisen – der alltägliche Freizeitverkehr ausgenommen – machen 55 Prozent der zurückgelegten Distanzen des gesamten Freizeitverkehrs aus. Und es wird immer mehr.
Im Vergleich zu den regelmässigen Pendlerwegen sind die Freizeitwege extrem vielfältig, wechseln spontan und ganz spezifisch je nach Freizeitaktivität. Dies macht es komplexer, Strategien und Planungen für einen nachhaltigen Freizeitverkehr zu entwickeln. Auch wenn eine Sache bleibt: Beim Freizeitverkehr dominiert bei praktisch allen Aktivitäten der motorisierte Individualverkehr. Die gute Nachricht: Es entwickelt sich ein neues Reiseverhalten: Schweizerinnen und Schweizer küren immer häufiger das eigene Land und die Nachbarstaaten zur Feriendestination.

© regiosuisse

Das Projekt «bleib hier»

Aufgrund dieser Fakten und Entwicklungen lancierte die Mobilitätsakademie des TCS, eine Tochtergesellschaft des TCS in Bern, auf das Jahr 2020 das Projekt «bleib hier». Sie setzte sich damit zum Ziel, in der dreijährigen Projektphase suffiziente Geschäftsmodelle für die Freizeitmobilität zu entwickeln. Im Zentrum stand die Frage, wie sich das Reisen in der Freizeit mit weniger Verkehr persönlich erfüllend und ökonomisch sinnvoll gestalten lässt. Das Projekt wurde unter dem Motto «langsamer, leichter und lokaler» lanciert.

Gemeint ist damit erstens die Entschleunigung, indem der Langsamverkehr als ressourcenschonende Form des Reisens propagiert wird. Dazu kommt der Aspekt des leichteren Reisens durch die Reduktion des Materialaufwands und einen genügsamen Umgang mit Konsum. Schliesslich ist der Aspekt des Lokalen mit Fokus auf kurze Wege und regionale Angebote. Projektleiter Jonas Schmid betont: «Spannende Freizeit muss nicht mit grossen Distanzen und viel Konsum verbunden sein.»

«Homelidays» und Camping mit Cargo-Bikes

Das Projekt begann 2020 mit einer Reihe von Experteninterviews und Befragungen zum Freizeitverhalten der Schweizerinnen und Schweizer. Daraus wurden drei Felder von Angeboten entwickelt. Dabei ging es um Dienstleistungen für die Ferien zuhause, um Mikroabenteuer und u alternative Campingmöglichkeiten in der Region. Das Angebot von Ferien zuhause, die sogenannten «Homelidays», wurde jedoch mangels Nachfrage während der ersten Testphase wieder fallengelassen.

Der Fokus lag somit bald auf dem «alternativen Camping» und den «Mikroabenteuern mit Carvelos». «Bleib hier» setzte intensiv auf E-Bikes und E-Cargo-Bikes. Zum Angebot gehörten Carvelo-Touren durch die Schweiz, Familienferien mit Übernachtungen, Camping mit dem Lastenvelo und Mikroabenteuer mit den E-Cargo-Bikes. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Läden in der Stadt Bern wurden «Themen-Bikes» lanciert: Cargo-Bikes, ausgerüstet mit Stand-up-Paddle-Boards, Campingequipment, Barbecue, grossen Lastenanhängern und vielen anderen Ausstattungen konnten gebucht werden. Bestimmt ein Dutzend verschiedene Carvelo-Angebote wurden getestet.
In Kooperation mit dem Campingplatz Eymatt in Bern entstand zudem ein Angebot zur Buchung von Carvelos und Mikrowohnwagen, samt Camping-Equipment und Tipps für Routen und Übernachtungsmöglichkeiten. «Die Camping-Angebote mit E-Cargo-Bikes waren definitiv der grösste Erfolg des Projekts», stellt Jonas Schmid rückblickend fest.

Emanuel Freudiger, TCS

Durchzogene Bilanz

Das Projekt wurde im Herbst 2022 abgeschlossen, die Erfahrungen und Erkenntnisse wurden ausgewertet. Mit Ausnahme der Angebote auf Campingplätzen und ein paar Angeboten mit lokalen Freizeit-Cargo-Bikes gelang es während der Projektlaufzeit allerdings nicht, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Äusserst positiv fiel hingegen das Echo auf das Camping-Angebot mit dem Lastenvelo aus. Dieses wird nun schweizweit auf TCS-Campings ausgebaut und weiterentwickelt.

Jonas Schmid blickt auf eine aussergewöhnliche Zeit zurück. Die Pandemie, die die drei Jahre des Projekts intensiv prägte, habe es massiv beeinflusst. «Wir hatten für das Projekt einerseits Vorteile durch die Covid-Situation, andererseits gab es auch massive Einschränkungen», so Schmid. Natürlich sei die Bevölkerung durch die Reisebeschränkungen sehr stark auf regionale Angebote ausgewichen, gleichzeitig habe sich auch das Konkurrenzangebot massiv vergrössert. Zudem sei es schwierig gewesen, das Projekt in den Medien bekanntzumachen, da diese hauptsächlich Pandemiethemen im Fokus hatten. «Und nach der Pandemie hat das Pendel auf die andere Seite ausgeschlagen. Sobald man wieder uneingeschränkt fliegen und reisen konnte, wurde das wieder stark genutzt.»

Emanuel Freudiger, TCS

Für Städte interessant

Als Erkenntnis für zukünftige ähnliche Projekte betont Schmid, wie zentral die kommunikative Power sei. «Ohne Präsenz in den Medien und ohne Plattformen, die die Angebote verbreiten, ist es äusserst schwierig.» Wichtig ist dafür auch eine intensive Vernetzung von touristischen Angeboten mit Anbietern aktiver Mobilität, beispielsweise die Vernetzung lokaler Freizeitangebote mit den in den Städten bereits stark genutzten Bike- und Trottisharing-Angeboten.
«Wir haben uns für den Vertrieb der Angebote intensiv bemüht, Partnerschaften mit touristischen Akteuren aufzugleisen», so Schmid. Die touristischen Vermarktungsorganisationen hätten wenig Interesse, lokale Angebote für die lokale Bevölkerung zu bewerben. «Die müssen Übernachtungszahlen generieren», so Schmid. «Interessant für uns sind kleine, lokale Partner wie die in Bern, die nun eigene Angebote mit den Freizeit-Cargo-Bikes weiterführen.» Das Zentrale an «bleib hier» sei die Nähe der Nutzerinnen und Nutzer und des Angebots. So sei auch die direkte Zusammenarbeit mit Städten besonders attraktiv, sagt Schmid. «Erstens wollen die Städte attraktiv für ihre Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch für Gäste sein und bleiben, zweitens sind solche Angebote im Interesse der Städte aufgrund gesteckter Klimaziele.» Ein Punkt, dessen Ausstrahlung in den kommenden Jahren nur zunehmen kann.

bleibhier.ch

Weitere Artikel

Wachstum und Diversifizierung

Seit 2015 wurden im Technopôle neue Bereiche entwickelt, insbesondere mit AddiPole, einem Kompetenzzentrum für additive Fertigung und 3D-Digitalisierung. Dieses ist aus einer Zusammenarbeit zwischen der HEIG-VD (Haute École d’Ingénierie et de Gestion du canton de Vaud), dem CPNV (Centre Professionnel du Nord Vaudois) und der ETVJ (École Technique de la Vallée de Joux) hervorgegangen. Heute verfügt der Technopôle über alle Kompetenzen und Einrichtungen, um ein Werkstück von A bis Z mit den neusten Technologien der Digitalisierung und des 3D-Drucks aus Polymeren oder Metall herzustellen.
Er begleitet weiterhin die in seinem «Inkubator» untergebrachten Unternehmen und bietet ihnen Unterstützung auf dem Weg zur industriellen Produktion. Mindestens zwölf Startups sind dort inzwischen entstanden. Im März 2022 wurde die Stelle einer Direktorin geschaffen.

technopole1450.ch

Kreislaufwirtschaft – die besonderen Chancen der Regionen

Pirmin Schilliger & Urs Steiger
Die Kreislaufwirtschaft (KLW) steht schon seit Jahrzehnten auf der ökologischen Agenda. Mittlerweile ist daraus ein ausgereiftes und umfassendes Konzept für nachhaltiges Wirtschaften entstanden. Es soll nun in der gesamten Wirtschaft umgesetzt werden und damit auch im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP) die regionale Entwicklung inspirieren.
Die Firma Basis 57 nachhaltige Wassernutzung AG nutzt in Erstfeld UR das warme und saubere Bergwasser aus dem NEAT- Gotthardtunnel für die Zander-Zucht. © regiosuisse

© regiosuisse

In der globalen Wirtschaft stammen 90 Prozent der Materialien aus neu gewonnenen Rohstoffen, 40 Prozent davon sind fossile Energieträger. Angesichts dessen ist eine ressourcenschonende Wirtschaftsform vonnöten. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft bietet einen Lösungsansatz, der auf einem System aus erneuerbaren Energien und geschlossenen Materialkreisläufen basiert. Alle bedenklichen Stoffe, die die Umwelt belasten und die Gesundheit gefährden, sollten durch unbedenkliche ersetzt werden.

Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft

Als Begründer der Kreislaufwirtschaft (KLW) gilt der britische Wirtschaftswissenschafter David W. Pearce. Zu Beginn der 1990er-Jahre leitete er das Konzept der Kreislaufwirtschaft aus der industriellen Ökologie ab. Der Deutsche Michael Braungart, Professor für chemische Verfahrenstechnik, und der amerikanische Architekt William McDonough entwickelten diesen Ansatz um die Jahrtausendwende konsequent weiter. In ihrem Buch «Cradle to Cradle»1 («Von der Wiege zur Wiege») propagierten sie ein fundamental neues Produktionssystem: Keine Stoffe landen mehr auf der Deponie oder in der Verbrennungsanlage. Alle nicht natürlich abbaubaren Stoffe werden stattdessen zur Produktion neuer Güter wiederverwendet.

In der Kreislaufwirtschaft nach dem «Cradle-to-Cradle»-Prinzip unterscheiden sie drei
Kategorien von Stoffen:


➊ Verbrauchsgüter wie Reinigungsmittel, Shampoos oder Verpackungsmaterialien sind in der Kreislaufwirtschaft konsequent aus biologischen Nährstoffen zu fertigen, sodass sie schliesslich kompostiert und getrost wieder der Umwelt überlassen werden können.


➋ Gebrauchsgüter wie Autos, Waschmaschinen oder Fernsehgeräte, die aus «technischen Nährstoffen» bestehen, sind so zu gestalten, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus restlos in wiederverwertbare Bestandteile zerlegt werden können. Die Stoffe dieser Gebrauchsgüter zirkulieren also im industriellen Produktionssystem in einem ewigen Kreislauf.


➌ Ausgedient hat in der Kreislaufwirtschaft die dritte Kategorie, alle jene Stoffe, die wir heute als Abfall verbrennen oder deponieren.

«Es geht in der Kreislaufwirtschaft nicht einfach darum, Abfälle zu reduzieren oder zu minimieren, sondern die Entstehung von Abfall zu vermeiden», betont Michael Braungart, einer der geistigen Väter des Konzepts. Lassen sich Stoffe in Gebrauchsgütern (noch) nicht durch kreislauffähige Alternativen ersetzen, gilt es, den Ressourcenverbrauch zumindest zu reduzieren und die Produkte länger zu gebrauchen.

Kreislaufwirtschaft ist ein ganzheitlicher Ansatz, der den gesamten Kreislauf von der Rohstoffgewinnung über die Design-, Produktions-, Distributions- und eine möglichst lange Nutzungsphase bis hin zum Recycling betrachtet. Gelingt es, Material- und Produktkreisläufe zu schliessen, können Rohstoffe immer wieder von neuem verwendet werden. © BAFU/regiosuisse

Ein globales interdisziplinäres Projekt

Der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern bildet eine unabdingbare Voraussetzung für eine künftige Kreislaufwirtschaft. Mit der Energiewende ist die Schweiz diesbezüglich politisch auf Kurs, die Rück- beziehungsweise die Überführung sämtlicher Materialflüsse in einen Kreislauf bildet hingegen eine enorme Herausforderung. Damit die Transformation gelingt, bedarf es weiterer Weichenstellungen – auch auf politischer Ebene. «Es gibt für die Hersteller keine Notwendigkeit, freiwillig dem ‹Wiege-zur-Wiege›-Prinzip zu folgen, solange die Steuerzahlenden für die Entsorgung in den teuren Kehrichtverbrennungsanlagen aufkommen», bemängelt Braungart. Die Transformation der linearen in eine zirkuläre Wirtschaft ist ein globales interdisziplinäres Projekt, in das alle Akteurinnen und Akteure eingebunden werden müssen, von der Rohstoffgewinnung über die Entwicklung und das Design der Produkte, die Herstellung und Distribution/Logistik, den Konsum bis hin zum Abfallmanagement. Letzteres sorgt dafür, dass die Stoffe nicht länger «entsorgt» werden, sondern zwingend als Sekundärrohstoffe in den Kreislauf zurückfliessen. Doch betrifft die Kreislaufwirtschaft auch die Formen der Nutzung und damit der Geschäftsmodelle. Die Devise lautet: mieten (statt kaufen), teilen/sharing (statt besitzen), reparieren/wiederaufbereiten/erneuern (statt wegwerfen)! Die Konsumentinnen und Konsumenten können mit ihren Konsumgewohnheiten und Verhaltensmustern wesentlich zum Wandel beitragen.

Mit Kreislaufwirtschaft ökonomisch erfolgreich

Im Bereich der Produktion sind vor allem die Unternehmen gefordert. Verschiedene Pioniere
haben mit Produkten wie Stühlen, Turnschuhen oder Teppichböden bereits gezeigt, dass kreislaufähige Geschäftsmodelle wirtschaftlich erfolgreich sein können. Die Firma Forster Rohner in St.Gallen hat vor Jahren kompostierbare Polsterbezüge für Büro- und Flugzeugstühle entwickelt. Die strengen Vorgaben des Labels «Cradle to Cradle» erfüllen allerdings erst wenige Unternehmen. Vögeli Druck in Langnau im Emmental zum Beispiel hat 2016 als weltweit erste Druckerei die «Cradle-to-Cradle»-Goldzertifizierung (Cradle to Cradle Products Innovation Institute, c2ccertified.org) erhalten.

In der Metall- und Maschinenindustrie führt der Weg zur Kreislaufwirtschaft meist über einen mehrstufigen Optimierungsprozess. Der Schweizer Küchenhersteller Franke verbraucht für seine Edelstahlspülen dank Prozessverbesserungen heute drei Viertel weniger Energie als noch vor wenigen Jahren und bloss noch halb so viel Edelstahl. In der Industrie ist es heute Standard, dass viele Metalle, vor allem Platin, Gold und Palladium, rezykliert werden; einfach weil diese Stoffe zu wertvoll sind, um im Abfall zu landen, und sich viele Metalle ohne Qualitätseinbusse problemlos für einen nächsten Produktionszyklus aufbereiten lassen. Rund 1,6 Millionen Tonnen Eisen- und Stahlschrott werden so in der Schweiz jährlich zu Bau- und Edelstahl aufbereitet. Ausserdem gelangen 3,2 Millionen Tonnen separat gesammelte Siedlungsabfälle wieder in den Kreislauf. Im Hoch- und Tiefbau werden knapp 12 Millionen Tonnen oder zwei Drittel der Rückbaumaterialien wie Beton, Kies, Sand, Asphalt und Mauerwerk wiederverwertet. «Weitere 5 Millionen Tonnen Rückbaumaterialien sowie 2,8 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle sind hingegen (noch) nicht im Kreislauf», sagt David Hiltbrunner von der Sektion Rohstoffkreisläufe des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Eine besondere Herausforderung bleiben vorderhand Textilfasern, Kunst- und Verbundstoffe, Elektroschrott, Chemikalien sowie gewisse biogene Abfälle. Es sind Stoffe, die sich – wenn überhaupt – nur mit enormem Aufwand zerlegen und wiederaufbereiten lassen. Allerdings wächst auch in diesen heiklen Bereichen die Zahl der Firmen, die nach Prinzipien der Kreislaufwirtschaft innovative Geschäftsmodelle entwickeln. So bietet etwa die Möbelhandelsfirma Pfister seit 2018 entsprechend zertifizierte Vorhänge an. Das Start-up trs (Tyre Recycling Solutions) in Yvonand VD macht alte Pneus wieder verkehrstüchtig, und die Firma Bauwerk in St. Margrethen SG bereitet alte Parkettböden auf.

© regiosuisse

Abschied von der Wegwerfgesellschaft

Damit auch komplexe Konsumgüter wie Waschmaschinen, Computer oder Autos kreislauffähig werden, sind griffige politische Rahmenbedingungen erforderlich. Die EU-Ökodesign- und Abfallrahmenrichtlinien verlangen ausdrücklich die Förderung nachhaltiger Produktions- und Konsummodelle, insbesondere eine Gestaltung, die auf Langlebigkeit ausgerichtet ist, sowie die Reparierbarkeit von Elektrogeräten, Massnahmen gegen Lebensmittelverschwendung und Informationskampagnen in der Bevölkerung. Einzelne Länder sind in der Umsetzung schon weit. Die Niederlande etwa setzen in der öffentlichen Beschaffung seit zehn Jahren gezielt auf Güter, die nach dem «Wiege-zur-Wiege»-Prinzip gefertigt sind, und geben für die öffentliche Beschaffung nach Kreislaufwirtschaft-Kriterien zweistellige Milliardenbeträge aus. Mit dem Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft («Circular Economy Action Plan») hat die EU ihre Bemühungen 2020 nochmals verstärkt. Derzeit wird darüber diskutiert, die Ökodesign-Richtlinien auf sämtliche Konsumgüter auszuweiten, denn die EU möchte sich dereinst definitiv vom System der Wegwerfgesellschaft verabschieden. Die EU-Richtlinien gelten auch für alle Schweizer Hersteller, die Produkte in die EU-Länder exportieren möchten.

Es ist kein Zufall, dass das Ökodesign im EU-Aktionsplan an erster Stelle steht: Bis zu 80 Prozent der späteren Umweltbelastung eines Produktes werden in der Design-Phase vorbestimmt, ebenso dessen Lebensdauer und Reparaturanfälligkeit. Zudem gilt die ökologische Faustregel: Suffizienz vor Kreislauf! Ein schonender Umgang mit Ressourcen, der sich auf das Notwendigste beschränkt, vermeidet Leerläufe und erspart viel späteren Aufwand. «Zur Kreislaufwirtschaft tragen alle Strategien bei, die helfen, die Stoffe und Materialien sparsamer, effizienter und länger zu verwenden», meint Hiltbrunner.

Die Agenda der Schweiz

Auch in der Schweiz steht die Kreislaufwirtschaft auf der politischen Agenda weit oben. Aus gutem Grund: In kaum einem anderen Land fällt – trotz hoher Recyclingquoten – pro Kopf der Bevölkerung so viel Siedlungsabfall an wie in der Schweiz.

Im Parlament sind mindestens acht Vorstösse hängig, die sich auf die Kreislaufwirtschaft beziehen, als wichtigste die parlamentarische Initiative 20.433 «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken» und der Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 11. Oktober 2021. Eine aktuelle Standortbestimmung zur Kreislaufwirtschaft hat der Bundesrat in diesem Frühjahr vorgenommen. Relevante Potenziale für die Kreislaufwirtschaft gibt es demnach vor allem in den Bereichen «Bauen und Wohnen», «Land- und Ernährungswirtschaft», «Mobilität», «Maschinenbau» sowie «chemische Industrie».Die Bundesverwaltung hat eine ganze Reihe von Vorschriften und Normen identifiziert, die eine Kreislaufwirtschaft noch behindern. Wie sich diese Hürden beseitigen lassen, wird abgeklärt. Klar scheint, dass die Aspekte einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft künftig in die Sektoralpolitiken des Bundes einfliessen müssen. Laut Bundesrat geschieht dies am besten in Übereinstimmung mit der «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030» (SNE 2030) des Bundes und mit den nationalen Langfriststrategien zur Klima-, Wirtschafts- und Landwirtschaftspolitik.

© regiosuisse

Weiterentwicklung der NRP

Die explizite Förderung der Kreislaufwirtschaft – bisher kein Programmpunkt der NRP – dürfte als ein Element in die nächste Programmperiode einfliessen. Dies deckt sich auch mit dem Anliegen von Romed Aschwanden, dem Geschäftsführer des Urner Instituts «Kulturen der Alpen» an der Universität Luzern, wonach die NRP radikal am Prinzip der Nachhaltigkeit auszurichten sei. «Denn die Lohnungleichheit ist nicht länger das eigentliche Problem in den Randregionen und Berggebieten, sondern der Klimawandel», argumentiert er.

Bei den zuständigen Ämtern, allen voran dem SECO und den kantonalen NRP-Fachstellen, laufen bereits die notwendigen Vorarbeiten. Den Rahmen für die Weichenstellung setzen die siebzehn Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDS) der Vereinten Nationen (UNO). Diese sogenannte «Agenda 2030» bildet für die Schweiz bereits heute den Orientierungsrahmen für die «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030». Entsprechend kann sich die Direktion für Standortförderung des SECO darauf stützen, wenn es gilt, die Ideen und Ziele der nachhaltigen Entwicklung in der NRP zu verankern. «Im Schwerpunktthema ‹nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion› wird die Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle spielen», sagt Ueli Ramseier, der die Arbeiten für die Nachhaltigkeit in der NRP beim SECO koordiniert. Zudem fördert die NRP mit dem Schwerpunkt «Klima, Energie und Biodiversität» seit Jahren erneuerbare Energien und die Gestaltung nachhaltiger und resilienter Siedlungsräume.

Die Abstimmung der NRP auf die nachhaltige Entwicklung ist als Weiterentwicklung und Ergänzung der NRP zu verstehen, nicht als Systemwechsel. Die Beiträge zu den gesellschaftlichen und ökologischen Aspekten der nachhaltigen Entwicklung sollen in der Programmperiode 2024–2027 weiter ausgestaltet und stärker gewichtet werden. Die NRP wird jedoch auch in Zukunft ihren regionalwirtschaftlichen Fokus beibehalten, die kantonalen NRP-Fachstellen und das SECO sollen aber vermehrt NRP-Projekte mitfinanzieren, die die Kreislaufwirtschaft ins Zentrum stellen. «An den übergeordneten Zielen – die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen zu stärken, Arbeitsplätze zu schaffen, eine dezentrale Besiedlung zu erhalten und regionale Disparitäten abzubauen – hält die NRP fest», betont Ramseier.

Stärken der Regionalpolitik nutzen

Bei der Förderung der Kreislaufwirtschaft spielen die Regionen eine wichtige Rolle, auch wenn sie sich nicht auf den ersten Blick erschliesst. Dieser Herausforderung hat sich im letzten Jahr regiosuisse – die Netzwerkstelle für Regionalentwicklung – angenommen. «Wir möchten Know-how aufbauen, das notwendige Wissen vermitteln und konkrete Hilfestellungen für Regionen entwickeln», erläutert Lorenz Kurtz, Projektleiter regiosuisse. Im Rahmen der regiosuisse-Wissensgemeinschaft «Kreislaufwirtschaft und Regionalentwicklung» wurde in den vergangenen Monaten relevantes Wissen in Form einer Praxistoolbox mitsamt inspirierenden Beispielen aufbereitet. Um das komplexe Thema für die Regionen umsetzungsreif weiterzuentwickeln, startete regiosuisse im März dieses Jahres mit dem «Kreislaufwirtschafts-RegioLab». Dessen Ziel ist es, aufzuzeigen, wie die Regionen die Kreislaufwirtschaft in ihre regionalen Strategien integrieren können.

Chancen eröffnen sich den Regionen mit der Kreislaufwirtschaft, wenn sie auf Themen und Bereiche fokussieren, die ohnehin bereits regional und weniger global strukturiert sind: Land- und Forstwirtschaft, Lebensmittelproduktion, Holzverarbeitung, erneuerbare Energien, Infrastrukturen, regionale Dienstleistungen und damit auch der Tourismus. Eine systematische Analyse der Materialflüsse und Produktionsketten in diesen Bereichen zeigt, dass das regionale Potenzial für die Kreislaufwirtschaft riesig ist. Um die Kreislaufwirtschaft zu fördern, sind nebst der Bildungs- und Wissensvermittlung zusätzliche finanzielle Anreize notwendig. Geld braucht es für die Projekte an sich, aber auch für die professionelle Projektbegleitung und die Ausarbeitung regionaler Kreislaufwirtschaft-Entwicklungsstrategien. «Denkbar ist, für besonders anspruchsvolle Projekte der Kategorie ‹5-Sterne-Nachhaltigkeit› den Förderrahmen zu erweitern und dafür künftig mehr Bundesmittel zu sprechen», meint Ramseier.

Norman Quadroni, Leiter Regionalpolitik Arcjurassien, sieht in der Kreislaufwirtschaft eine grosse Chance, den natürlichen Reichtum der ländlichen Regionen, Grenz- und Berggebiete besser zu nutzen. Er ist überzeugt, dass sich damit Ressourcen in Wert setzen lassen, die unter einer rein exportorientierten Entwicklungsperspektive auf der Strecke bleiben würden. «Bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten, die heute international organisiert sind, könnten wieder in die Region zurückgeholt und in kurze Kreisläufe eingebunden werden», so Quadroni. Die Regionen sind dank ihrer Eigenschaften und Qualitäten wie Kleinräumigkeit, Überschaubarkeit und Nähe für die Initiierung von Kreislaufprozessen grundsätzlich prädestiniert. Denn die interdisziplinäre und überbetriebliche Zusammenarbeit in Netzwerken, wie sie die NRP seit Anbeginn praktiziert, ist in der Kreislaufwirtschaft besonders gefragt.

regiosuisse.ch/kreislaufwirtschaft

bafu.ch

Förderer der Kreislaufwirtschaft

Neben regiosuisse engagieren sich verschiedene Organisationen dafür, interessierten Akteurinnen und Akteuren Know-how, Empowerment und Coaching zur Kreislaufwirtschaft anzubieten:

Go for impact Der vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) mitinitiierte Verein «Go for impact» versteht sich als Impulsgeber für die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz. Er setzt sich politisch und wirtschaftlich dafür ein, die Kreislaufzukunft der Schweizer Wirtschaft mitzugestalten.

Circular Economy Switzerland Das wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich breit abgestützte Netzwerk richtet sich mit seiner Plattform an alle an der Kreislaufwirtschaft interessierten Organisationen, Firmen und Personen. Es hat eine Charta zur KLW ausgearbeitet und unterstützt sämtliche Initiativen mit Wissen, Veranstaltungen und politischem Lobbying.

CircularHub Die Wissens- und Netzwerkplattform zur Kreislaufwirtschaft in der Schweiz adressiert innovative Unternehmen und Startups mit Ausbildungs-, Beratungs- und Projektbegleitungsangeboten.

Netzwerk Ressourceneffizienz Schweiz (Reffnet) Expertinnen und Experten des Reffnet beraten und begleiten Firmen bei der Erarbeitung eines Massnahmenplans für eine höhere Ressourceneffizienz.

Ressourcendruck-Designmethode Eine Forschungsgruppe an der Empa hat im Rahmen des NFP 73 «Nachhaltige Wirtschaft» die Ressourcendruck-Designmethode entwickelt. Der neue Ansatz soll beim Design von Produkten und Dienstleistungen zu nachhaltigeren Entscheidungen beitragen.

PRISMA Die Interessengemeinschaft von Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie und der Konsumgüterbranche sowie der Verpackungsindustrie strebt die Realisation der Kreislaufwirtschaft im Bereich der Verpackungen an.

Prozirkula Das Kompetenzzentrum engagiert sich für die Integration der KLW-Prinzipien in die öffentlichen und privaten Beschaffungsprozesse. Es bietet Beratung, Wissenstransfer und Networking (siehe auch Artikel Öffentliche Beschaffung – Hebelwirkung für die Kreislaufwirtschaft).

WÖB Wissensplattform des Bundes für nachhaltige öffentliche Beschaffung.

Kompass Nachhaltigkeit Vom SECO finanzierte und von der Stiftung Pusch zusammen mit dem Verband für nachhaltiges Wirtschaften (öbu) betriebene Wissensplattform.

Die Ideenbörse – Initiativen und Projekte zur Kreislaufwirtschaft

Landwirtschaft/Lebensmittel

Star’Terre Regionale Produktion/regionale Vermarktung/kurze Kreisläufe, interkantonale Lebensmittel-Plattform in der Region Genfersee (vgl. Artikel Vernetzung von Landwirtschaft und Start-ups).

Gemüsebau Gebr. Meier Primanatura AG in Hinwil ZH CO2-freie Gewächshäuser mithilfe von Abwärme der Kehrichtverbrennungsanlage und aus der Luft gefiltertem CO2 – geschlossene Kreisläufe.

Bösiger Gemüsekulturen AG in Niederbipp BE zirkulärer Gemüsebau.

Aquaponik Verbindung von Fischzucht und bodenunabhängiger Landwirtschaft in einem Kreislauf. Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft (ZHAW) forscht und lehrt auf diesem Gebiet und bietet Kurse für Einsteiger und Interessenten an.

Energie-Farming Tropenhaus Frutigen Aquakultur mit Fischzucht in Kreislaufanlage.

Food-Waste-Projekte: Start-up/App «Too good to go», Plattform «United against Waste».

«Kreislaufwirtschaft im Seeland» (NRP-Projekt 2021–2023): Restaurants, Bäckereien und Betriebe der Gemeinschaftsgastronomie versuchen zusammen mit weiteren Akteuren (Gemüseproduzenten, Konsumenten), die Kreisläufe der Wertschöpfungskette zu schliessen.

Centravo AG in Lyss BE Das Unternehmen verwertet seit 25 Jahren tierische Bestandteile, die von den Metzgereien nicht genutzt werden.

Fine Funghi AG Das Zürcher Unternehmen produziert Bio-Pilze aus dem Abfall (Weizenkleie) einer Getreidemühle.

RethinkResource Das Start-up hat den B2B-Marktplatz «Circado» aufgebaut, um industrielle Nebenprodukte der Lebensmittelproduktion zu verwerten.

Ricoter Erdaufbereitung AG Das 1981 gegründete Unternehmen produziert in Aarberg BE und Frauenfeld TG Gartenerde aus den organischen Abfällen der Zuckerraffinerien.

Brauerei Locher Appenzell AI agroindustrielles Projekt.

ortoloco – Hofkooperative in Dietikon ZH 500 Personen wirtschaften und entscheiden gemeinsam als Produzentinnen un Produzenten, Konsumentinnen und Konsumenten.

Einkaufsgemeinschaften, bei denen die Konsumenten direkt mit den Produzenten kooperieren: u.a. Tante Emmen, Koop Teiggi Kriens, Plattform Crowd Container, IG Foodcoops.

Qwstion Das Zürcher Taschenlabel hat ein neues textiles Material lanciert, das aus den Fasern der Bananenstaude «gewoben» wird.

Bauwirtschaft/Immobilien

Zirkuläres Bauen (Beat Bösiger, bluefactory), Rückbau, Recyclingbeton, Verwendung von lokalen, nachhaltigen, erneuerbaren Materialien usw., Ausbau Asphalt.

Eberhard Bau AG Das Unternehmen ist seit vier Jahrzehnten Pionier des Baurecyclings. Es verwandelt Bauschutt ohne Qualitätseinbusse in Sekundärrohstoffe.

Weitere Spezialisten des Baurecyclings Ronchi SA in Gland VD, Sotrag SA in Etoy VD, Kästli Bau AG in Rubigen BE,BOWA Recycling in Susten.

Neustark in Bern Die Berner Firma ist spezialisiert auf die Versteinerung von atmosphärischem CO2 in verwertetem Beton.

Integrierte Planung und gemeinsame Bewirtschaftung von Industrie- und Gewerbegebieten Projekte in Le Locle NE, St-Imier NE , im Val-de-Ruz NE, im Sensebezirk BE (Arbeitszonen), in Sierre VS (Ecoparc de Daval), Schattdorf UR usw.

enoki in Fribourg Das Freiburger Start-up entwirft und plant kreislauffähigere Quartiere und Städte.

Terrabloc in Genf Die Genfer Firma Terrabloc produziert Bau- und Dämmstoffe aus Lehm.

VADEME Das Interreg-Projekt zielt auf eine koordinierte Lösung für mineralische Bauabfälle in den Regionen Genf und Annecy ab (vgl. Artikel VADEME: mineralische Abfälle aufwerten).

ORRAP Interreg-Projekt (2016–2019) für das Recycling von Ausbauasphalt in der Region Basel.

Organisatorische und strategische Ansätze

AlpLinkBioEco Das im April 2021 abgeschlossene Interreg-Projekt hat einen Wertschöpfungskettengenerator und einen Masterplan entworfen für eine auf natürlichen lokalen Rohstoffen basierende Kreislaufwirtschaft im Alpenraum.

Sharely Das Start-up betreibt eine Miet- und Vermietungsplattform für Alltagsgegenstände.

Make furniture circular Eine Initiative der Stiftung Pusch und des Migros-Pionierfonds zur Förderung von «Kreislauf-Möbeln».

Reparatur- und Recyclingnetzwerke Verschiedene regionale Initiativen zur Förderung von Reparatur- und Recyclingstellen. Dazu zählen auch Secondhand-Days, Secondhand-Shops, Repair-Werkstätten, Up-Cycling-Stellen usw.

Kreislaufwirtschaft im Parc Naturel Régional Chasseral: Relokalisierung von Wertschöpfungsketten, Erhalt und Inwertsetzung von natürlichen lokalen Ressourcen.

Roadmap Kreislaufwirtschaft des Kantons Freiburg kantonale Strategie.

Plattform 1PEC Ideenbörse zur Förderung der Kreislaufwirtschaft im Wallis.

Kreislaufwirtschaft Oberwallis Kreislaufwirtschaft in einem ländlich abgeschlossenen Gebiet (gefördert durch das Programm «Nachhaltige Entwicklung», ARE, 2022).

Share Gallen Networking-Workshop und öffentlicher Markt in St. Gallen (Projekt aus Förderprogramm «Nachhaltige Entwicklung», ARE, 2018).

Erneuerbare Energien

Biogasanlagen: z.B. Kägiswil OW und Kompogasanlage Wauwil LU, beide durch die NRP gefördert, sowie BiogasTicino SA in der Magadino-Ebene.

Satom SA in Monthey VS Methanisierung von Bio-Abfällen.

Kantonales Programm «Wertschöpfungskette Holz» in der Waadt (NRP-Projekt): Holz wird als nachwachsender Energieträger vom Kanton direkt gefördert.

«Zirkulär in die Zukunft»

Pirmin Schilliger & Urs Steiger

Wie kann die Kreislaufwirtschaft in die Wirtschaft und die Gesellschaft integriert und als zukunftsweisendes Modell einer nachhaltigen Entwicklung gezielt gefördert werden? Welche besonderen Chancen eröffnen sich damit der regionalen Wirtschaft? Diese Fragen diskutierten im Gespräch mit «regioS» Marie-Amélie Dupraz-Ardiot, Sustainability-Managerin und Verantwortliche des Kantons Freiburg für die Strategie «Nachhaltige Entwicklung», Antonia Stalder, Geschäftsführerin von Prozirkula, sowie Ökonomieprofessor Tobias Stucki, Co-Leiter des Instituts Sustainable Business an der Berner Fachhochschule Wirtschaft.

regioS: Kreislaufwirtschaft ist ein älteres Konzept. In der Schweiz hat sich die Abfallkampagne des Bundes bereits in den 1990er-Jahren mit Aspekten davon auseinandergesetzt. Können wir folglich heute auf Bestehendem aufbauen, oder starten wir neu?

Marie-Amélie Dupraz-Ardiot: Das Konzept der Kreislaufwirtschaft ist heute relevanter als je zuvor. Wir können dabei zwar auf Bestehendem aufbauen, aber wir müssen deutlich mehr machen als bisher. Wir dürfen nicht nur das Recycling ansprechen, sondern müssen eine breitere Perspektive entwickeln, in der Themen wie «Abfall vermeiden», «Reparieren» und «Wiederverwenden» eine grosse Rolle spielen.

Tobias Stucki: Wir haben das Denken in Kreisläufen generell noch zu wenig verinnerlicht. Wir müssen dieses Denken auch bei uns wieder in die Köpfe reinkriegen, so wie das früher normal war und heute in ärmeren Ländern noch ganz normal ist. In einer Vorlesung hat ein Student aus Kuba gesagt: «Kreislaufwirtschaft ist, wie wir bei uns leben.»

Antonia Stalder: Einen – zumindest historischen – Anknüpfungspunkt gibt es auch bei uns. In unseren Schulungen erzählen die Teilnehmenden immer wieder, dass ihre Grosseltern noch auf diese Art und Weise gewirtschaftet hätten. Sie haben zum Beispiel ihre Möbel dreissig Jahre lang zweimal im Monat geölt, um sie möglichst lange nutzen zu können. Wir haben solch sorgfältiges Wirtschaften irgendwie verlernt. Wir sind nicht mehr interessiert daran, Dinge mit langlebiger Qualität zu bauen und sie entsprechend zu unterhalten und zu pflegen. Es geht bei der Kreislaufwirtschaft tatsächlich nicht einfach nur um Recycling, sondern um die richtigen Werte. Diese beruhen darauf, dass die Dinge nicht einfach neu und chic sein müssen, sondern dass sie von guter Qualität sind, sodass sie sich mehrmals aufbereiten und immer wieder reparieren lassen – und dabei noch edler aussehen als Neueinkäufe.

Wo stehen wir heute in der Umsetzung gemessen am Fernziel einer konsequent auf erneuerbare und wiederverwertbare Ressourcen ausgerichteten Kreislaufwirtschaft?

Marie-Amélie Dupraz-Ardiot: Wir sind vom Fernziel noch weit entfernt. Um die Kreislaufwirtschaft überhaupt umsetzen zu können, brauchen wir eine neue Denkweise. Solange in unseren Köpfen nichts passiert, nehmen die Materialflüsse in unserer Wirtschaft unentwegt zu. Wir müssen uns wieder an all das erinnern, was wir von unseren Grosseltern hätten lernen können. 

Antonia Stalder: In der Baubranche beispielsweise verbauen wir mengenmässig so viel, dass wir mit den eingesetzten Materialien jeden Monat New York City frisch aus dem Boden stampfen könnten. Laut Prognosen wird sich bis 2050 daran auch nichts Entscheidendes ändern.

Tobias Stucki: Wir haben erst kürzlich gemeinsam mit der ETH eine repräsentative Befragung bei Unternehmen in der Schweiz durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass lediglich bei rund zehn Prozent der Firmen die Kreislaufwirtschaft schon ernsthaft ein Thema ist. Rund vierzig Prozent der Unternehmen haben hingegen in den letzten Jahren keine Massnahmen zur Steigerung der ökologischen Nachhaltigkeit umgesetzt.

Lässt sich Kreislaufwirtschaft in der Schweiz, deren Wirtschaft bekanntlich extrem in globale Wertschöpfungsketten eingebettet ist, überhaupt umsetzen? Wie können sich die Betriebe organisieren, um zirkulär zu werden?

Tobias Stucki © regiosuisse

Tobias Stucki: Die zirkuläre Transformation setzt in den meisten Fällen voraus, dass man die gesamten Lieferketten überdenken und – zum Teil mit neuen Partnern – neu organisieren muss. Dabei ist nicht die Logistik das grösste Problem. Die eigentliche Herausforderung bilden die Produkte selbst. Zentral ist die Frage, welche Materialien und Stoffe in welchen Produkten überhaupt eingesetzt werden sollen.

Antonia Stalder: Ich glaube nicht, dass wir uns die globalen Wertschöpfungsketten mitsamt allem logistischen Aufwand in diesem Ausmass auch in Zukunft leisten können. Heute produzieren wir – das Wort sagt es – entlang von Ketten, sogenannten Wertschöpfungsketten, die per se linear und nicht zirkulär sind. Wir werden nicht darum herumkommen, in Zukunft viel mehr Produkte und Geräte aufzubereiten, zu reparieren und zu teilen, und zwar im regionalen und lokalen Rahmen. Wenn wir stattdessen unseren globalen Warenverkehr noch stärker ausweiten, sehe ich grosse Probleme auf uns zukommen.

Tobias Stucki: Letztendlich stehen wir bei der Umsetzung einer effizienten Kreislaufwirtschaft einem Trade-off gegenüber: Einerseits macht es natürlich Sinn, Kreisläufe möglichst lokal zu schliessen, andererseits wird dies technisch nicht immer möglich sein. Wir brauchen in Zukunft einen gewissen Mix aus lokalen, regionalen und globalen Wertschöpfungskreisläufen.

Wie beurteilen Sie, Frau Dupraz-Ardiot, die Notwendigkeiten und Möglichkeiten, die Kreislaufwirtschaft in unserem System einzuführen?

Marie-Amélie Dupraz-Ardiot: Die Kreislaufwirtschaft wird über kurz oder lang ein wesentlicher Teil der Ökonomie, denn sie ist ein entscheidender Kostenreduktionsfaktor und auch ein Faktor der Wettbewerbsfähigkeit. Ausserdem trägt sie zur Resilienz bei in einer Zeit, in der die Rohstoffpreise rasant steigen und es Engpässe in den Lieferketten gibt. So betrachtet wird die Kreislaufwirtschaft immer mehr auch zum Faktor der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit einer Region.

Marie-Amélie Dupraz-Ardiot © regiosuisse

Gibt es dafür ein erfolgreiches Beispiel?

Marie-Amélie Dupraz-Ardiot: Im Kanton Freiburg haben wir eine Agrar- und Lebensmittelstrategie entwickelt, die sich stark auf die Umsetzung einer regionalen Kreislaufwirtschaft mitsamt der Vernetzung der Akteurinnen und Akteure konzentriert. Eine der Leitideen ist dabei, die sekundäre Biomasse wiederzuverwerten.

Wo liegen die eigentlichen Knackpunkte bei der Umsetzung?

Antonia Stalder: Der Knackpunkt in der öffentlichen Beschaffung zum Beispiel liegt in der Komplexität. In unserer Beratung versuchen wir, diese auf eine verständliche Ebene herunterzubrechen. Der Bedarf nach dieser Art von Beratung ist vor allem in kleineren Strukturen gross. Ein Kanton hat vielleicht noch die notwendigen Ressourcen, aber eine Gemeinde ist mit dem Thema schnell überfordert. Es fehlen allerdings praktische Instrumente zur Umsetzung. Ich denke an Checklisten, verbindliche Ausschreibungskriterien, Blueprints für klare Entscheidungsgrundlagen und Ähnliches. Dazu wollen wir von Prozirkula in der Beratung und mit unserem Kompetenzzentrum einen Beitrag leisten.

Tobias Stucki: Die Herausforderungen in der Privatwirtschaft sind ähnlich wie bei der öffentlichen Beschaffung: Das Konzept der Kreislaufwirtschaft ist den Verantwortlichen zwar einigermassen bekannt, aber die Umsetzung im eigenen Betrieb erweist sich als schwierig. Es gibt kaum Standardlösungen dafür. Gefragt ist ein individueller Ansatz, und diesen zu entwickeln, ist meistens nicht ganz einfach. Hinzu kommt, dass der Wandel zur Kreislaufwirtschaft mit Finanzierungskosten verbunden ist.

Marie-Amélie Dupraz-Ardiot: Auf Kantonsebene haben wir zwar die Ressourcen, um den strategischen Rahmen zu entwickeln, in der Umsetzung fehlen uns aber die Kenntnisse. Kreislaufwirtschaft ist eine interdisziplinäre Disziplin, bei der alle Beteiligten zusammenarbeiten müssen. Es funktioniert nur, wenn alle miteinander reden, die Akteure der Wirtschaftspolitik mit jenen der Agrarpolitik, die Akteurinnen der Agrarpolitik mit jenen der Abfallwirtschaft. Ein weiterer Knackpunkt ist rein technischer Art: Die meisten Materialien lassen sich nicht beliebig oft recyceln und wiederverwenden. Sie verlieren nach jedem Durchlauf an Qualität. Zirkularität ist eine Möglichkeit, den Ressourcenverbrauch zu verlangsamen und zu reduzieren, aber sie kann ihn nicht gänzlich aufhalten.

Wer ist in der Umsetzung besonders gefordert? Welche Akteure spielen die entscheidende Rolle?

Tobias Stucki: Entscheidend sind nicht nur die Produzenten, sondern auch die Konsumentinnen und Konsumenten. Auch sie müssen sensibilisiert werden, damit die Kreislaufwirtschaft wirklich funktionieren kann. Sie müssen bereit sein, Produkte länger und zirkulär zu nutzen. Eine Schlüsselrolle spielt das öffentliche Beschaffungswesen, etwa wenn es darum geht, Pilotprojekte zu finanzieren. Mitspielen muss auch der Finanzsektor. Und selbstverständlich ist die Politik gefordert, wenn es gilt, die entsprechenden Rahmenbedingungen festzulegen. Wie generell bei der Nachhaltigkeit bringt es nichts, sich bei der Kreislaufwirtschaft nur auf einzelne Punkte zu fokussieren. Als Bildungsanbieter stehen wir zudem in der Pflicht, die Leute zu schulen und das notwendige Wissen zu vermitteln.

Verfügt die Schweiz bereits über die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen?

Tobias Stucki: An unseren Zielen gemessen: Nein! Sieht man, was die EU im Moment macht, sind wir völlig im Rückstand – obwohl wir aufgrund unserer Ressourcenknappheit und unseres Innovationswissens prädestiniert wären, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Beginnen wir nicht sofort und energisch, an unseren Rahmenbedingungen zu arbeiten, laufen wir Gefahr, gegenüber anderen Ländern in einen Wissensrückstand zu geraten, den wir nicht mehr so schnell werden aufholen können.

Antonia Stalder: Speziell in der öffentlichen Beschaffung hätten wir mit dem revidierten öffentlichen Beschaffungsgesetz seit Januar 2021 eigentlich genug Spielraum. Es wäre klug und nützlich, diesen Spielraum auszuschöpfen und die entsprechenden Projekte aus dem Boden zu stampfen. Natürlich müssen die Rahmenbedingungen noch weiter angepasst werden, aber man könnte bereits jetzt sehr viel mehr tun, als tatsächlich geschieht.

Marie-Amélie Dupraz-Ardiot: Wir hätten, wie es Herr Stucki erwähnt hat, in der Schweiz vor einigen Jahren eine Vorreiterrolle übernehmen können. Mittlerweile ist die EU schon viel weiter, und auch einzelne Länder wie Frankreich haben mehr gesetzliche Grundlagen als die Schweiz.

Wo könnte und sollte man in der Gesetzgebung Nägel mit Köpfen einschlagen?  

Marie-Amélie Dupraz-Ardiot: In der laufenden Revision des Umweltschutzgesetzes könnte man viel machen. Der Bund hat die Revision in die Vernehmlassung geschickt. Der Kanton Freiburg hat vorgeschlagen, in verschiedenen Punkten weiter zu gehen als vorgeschlagen. Wichtig sind gesetzliche Rahmenbedingungen, die wir dann auch tatsächlich umsetzen können. Ich habe Bedenken, ob wir bereits über genügend fähige Leute mit dem notwendigen Wissen und den erforderlichen Kompetenzen verfügen. Es gibt zweifellos noch grösseren Ausbildungs- und Schulungsbedarf.

Tobias Stucki: In der Schweiz setzen wir extrem stark auf das Prinzip der Freiwilligkeit. Die EU geht da entschieden einen Schritt weiter und versucht, die Kreislaufwirtschaft gesetzlich klar zu regeln. Es gibt Vorschriften, die für Druck sorgen, sodass die Unternehmen sich wirklich bewegen müssen. Und wer nichts unternimmt, muss mit Sanktionen rechnen.

Antonia Stalder: Mehr Vorgaben und ein bisschen mehr Verbindlichkeit täten uns sicher gut. Wenn wir es nur bei der Freiwilligkeit belassen, bleiben wir Schweizerinnen und Schweizer in der Regel ziemlich träge.

Kreislaufwirtschaft ist als wesentliches Element einer nachhaltigen Entwicklung auf der Agenda der Neuen Regionalpolitik (NRP) weit nach oben gerückt. In welchen Bereichen sehen Sie besondere Chancen und Vorteile, in den Regionen die Kreislaufwirtschaft erfolgreich umzusetzen?

Antonia Stalder © regiosuisse

Antonia Stalder: Haben sich kreislauffähige Lösungen einmal etabliert, haben sie das Potenzial, ökonomisch und ökologisch grundsätzlich besser zu sein als lineare Lösungen. In der linearen Wirtschaft vernichtet man ja Werte, indem man Dinge wegwirft, die noch wertvoll wären. Rückt man von dieser Praxis ab und stellt stattdessen den Werterhalt in den Vordergrund, gewinnt man auf der ganzen Linie, egal, ob in der Stadt oder in einer ländlich geprägten Region. Hinzu kommen weitere Vorteile wie Liefersicherheit und Resilienz. Kürzlich hatten wir den Fall eines Kaffeeautomatenherstellers, der uns in grosser Verzweiflung gesagt hat: «Nennt mir die grösste Deponie in Deutschland, ich schicke zehn meiner Mitarbeiter dorthin, damit sie unsere Geräte raussuchen und die Chips ausbauen. So können wir weitere drei Monate produzieren und überleben.» Die Region kann also in der Kreislaufwirtschaft zur entscheidenden Drehscheibe werden.

Frau Dupraz-Ardiot, wie bringen Sie die Kreislaufwirtschaft gezielt in die Regionen des Kantons Freiburg?

Marie-Amélie Dupraz-Ardiot: Meine Hauptaufgabe ist es, das Bewusstsein über die Herausforderungen der Nachhaltigkeit in die verschiedenen Sektoralpolitiken des Kantons einzubringen. Notwendig ist dafür eine Kultur der Interdisziplinarität. Wer in der Wirtschaftspolitik tätig ist, muss also auch an die ökologischen und sozialen Aspekte denken und umgekehrt. Wir versuchen, mit Beteiligten aus allen Bereichen der Verwaltung verschiedene Projekte zu lancieren, die diese Kultur der Interdisziplinarität leben.

Herr Stucki, wird die Kreislaufwirtschaft bei den Unternehmen als Chance begriffen oder als mühsame Last?

Tobias Stucki: Es gibt Unternehmen, die sich bereits um Kreislaufwirtschaft bemühen und entsprechend handeln, gerade weil sie da Chancen sehen. Die vielen anderen wittern in der Kreislaufwirtschaft vor allem Risiken und Gefahren. Mittlerweile gibt es aber in allen Branchen «Leuchttürme», die zeigen, dass es funktioniert. Um die Berührungsängste abzubauen, müsste man diese noch stärker ins Schaufenster stellen. Dabei geht es nicht um den sorgfältigen und effizienten Umgang mit Ressourcen, die immer knapper werden. Eine Wirtschaft, die das nicht begreift und nicht bereit ist, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, wird eines Tages nicht mehr wettbewerbsfähig sein.

Benötigen wir zusätzliche Signale von der Politik, um die Kreislaufwirtschaft bei uns zu etablieren?

Marie-Amélie Dupraz-Ardiot: Die aktuelle Situation mit Engpässen in den Lieferketten trägt dazu bei, dass sich viele Unternehmen der Bedeutung einer effizienten Ressourcenbewirtschaftung erstmals so richtig bewusst werden. Die Mangellage löst wohl mehr aus als manches politische Druckmittel. Gleichzeitig hoffe ich, dass die Änderung des Umweltschutzgesetzes etwas bringen wird, auch den Regionen. Im Kanton Freiburg versuchen wir mit dieser neuen Perspektive einen Plan für die Abfallbewirtschaftung zu erarbeiten, der ganzheitlich ist und weit über das Recycling hinaus die gesamte Kreislaufwirtschaft ansprechen wird.

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