Landschaft in der Regionalentwicklung – eine lohnende Herausforderung

Pirmin Schilliger & Urs Steiger
Die Schönheit und Eigenart der Landschaft stellt in vielen ländlichen Regionen und Berggebieten der Schweiz, aber auch in den Agglomerationen, einen zentralen wirtschaftlichen Faktor dar. Mancherorts bildet sie die eigentliche Lebensgrundlage. Es drängt sich damit die Frage auf, wie weit sich diese Regionen wirtschaftlich entwickeln können, ohne dass ihre Landschaften an natürlichen und baukulturellen Qualitäten einbüssen. Einen Weg für einen sorgfältigen Umgang mit Landschaft bietet der Bund mit den Pärken von nationaler Bedeutung. Auch im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP), der Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwicklung und weiterer staatlicher und privater Förderinstrumente sind in den vergangenen Jahren zukunftsweisende Projekte lanciert worden. Die Inwertsetzung von Landschaft erweist sich in der Umsetzung allerdings als anspruchsvolle Aufgabe mit langem Zeithorizont, die in die verschiedensten Lebens- und Wirtschaftsbereiche hineinwirkt.

Ranger Stefan Steuri vom Naturpark Gantrisch © regiosuisse

Noch vor einem Jahrzehnt war das Gantrisch-Gebiet eine wenig bekannte Landschaft. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert. Die waldreiche Voralpengegend mit den tief eingeschnittenen Flussläufen von Sense und Schwarzwasser, der Gantrisch- und Gurnigelkette, Moorlandschaften, dem Schwarzsee sowie der Urlandschaft Brecca gehört seit 2012 unter dem Label «Regionaler Naturpark Gantrisch» (RNG) zum erlesenen Kreis der regionalen Naturpärke der Schweiz. Wie 18 weitere Gebiete untersteht der RNG damit der Pärkeverordnung (PäV, Verordnung über die Pärke von nationaler Bedeutung) und gilt als Modellregion für eine nachhaltige Regionalentwicklung. Die Pärkeverordnung ermöglicht es dem Bund, die Errichtung und den Betrieb von Pärken in Gebieten mit hohen Natur- und Landschaftswerten finanziell zu fördern.

Attraktive Angebote

«Die Gründung des Parks hat in unserer Region eine Reihe von Projekten ausgelöst», sagt RNG-Sprecherin Ramona Gloor. Touristische Angebote erschliessen das Gantrisch-Gebiet heute als alpine Outdoorlandschaft, als Bike- und Fahrradregion oder Seilpark. Eine weitere Attraktion ist der kürzlich erneuerte «Gäggersteg», auf dem Besucherinnen und Besucher aus nächster Nähe beobachten, wie sich der Wald seit dem Sturm Lothar im Jahr 1999 entwickelt hat.

Gloor spricht im Zusammenhang mit dem Aufbau und Betrieb des Parks von einer «anspruchsvollen Aufgabe», bei der das richtige Mass oft entscheidend sei. An schönen Wochenenden etwa geraten die urtümlichen Moor- und die wilden Flusslandschaften schnell unter Naherholungsdruck. Das Team des Naturparks Gantrisch begegnet dieser Herausforderung mit einer gezielten Besucherlenkung und mit Rangern, die die Gäste auf die richtigen Wege lotsen. Gloor meint: «Wir wollen nicht mit mehr und mehr Angeboten stets noch mehr Gäste ins Gantrisch-Gebiet locken; der Tourismus muss auf den Nachhaltigkeitsprinzipien aufbauen und unseren Parkwerten entsprechen.»

Naturpark als Vorzeigemarke

Wirtschaftlich profitiert vom Naturpark die Land- und Forstwirtschaft ebenso wie das lokale Gewerbe; mittlerweile werden über 300 Erzeugnisse unter dem Produktlabel «Schweizer Pärke» vermarktet. Nicht zuletzt ist die Parkorganisation selbst ein wichtiger Auftrag- und Arbeitgeber. Ausserdem funktioniert sie als Vernetzungsplattform für die beteiligten Akteurinnen und Akteure. «Seit der Errichtung des Naturparks herrscht in unserer Region Aufbruchstimmung; der Park hat dem Gantrisch-Gebiet zu einer eigenen Identität verholfen», stellt Gloor fest. Das naturnahe Gebiet in den Berner und Freiburger Voralpen hat sich als unverwechselbare und eigenständige Region und als touristische Marke etabliert. Es ist zum Vorzeigebeispiel geworden, wie Landschaft nachhaltig in Wert gesetzt und gleichzeitig in ihrer Qualität gestärkt werden kann.

Dieses Fazit ziehen die Expertinnen und Experten des Interdisziplinären Zentrums für Nachhaltige Entwicklung und Umwelt (CDE) der Universität Bern im Evaluationsbericht, den sie zuhanden des für den Park verantwortlichen Kantons Bern erstellt haben. Mit Zahlen belegt der Bericht den Beitrag zur Stärkung und Förderung der regionalen Wirtschaft: Die durch den Naturpark induzierte touristische Wertschöpfung betrug 2018 rund 7,3 Millionen Franken. Dies entspricht beschäftigungsmässig 87 Vollzeitstellen. Die zusätzliche Wertschöpfung aus regionalen Produkten belief sich im Zeitraum 2012 bis 2018 auf knapp 9 Millionen Franken. Nicht berücksichtigt sind in diesen Summen Leistungen zur Aufwertung von Natur und Landschaft wie das Offenhalten von Wiesen und Weiden (Schwenten), Heckenunterhalt und -pflege, Neubepflanzungen, Nistplatzpflege, Trockensteinmauersanierungen usw., die Landwirte sowie private Organisationen im Park erbringen. Die Expertinnen und Experten sehen aber auch noch wirtschaftliches Entwicklungspotenzial für den RNG, beispielsweise bei der Wertschöpfung mit Holz oder in der Gastronomie.

Ein ähnlich positives Fazit wie für den Naturpark Gantrisch liesse sich für die meisten der 18 Schweizer Pärke von nationaler Bedeutung ziehen, die zusammen über 5200 Quadratkilometer oder rund einen Achtel der Landesfläche einnehmen. Das Ziel, das der Bund mit den Pärken von nationaler Bedeutung verfolgt – die Natur- und Landschaftsqualität im Einklang mit einer nachhaltigen regionalen Wirtschaftsentwicklung erhalten und aufwerten –, deckt sich dabei weitgehend mit den Zielen der Neuen Regionalpolitik (NRP).

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«Landschaftskonzept Schweiz» (LKS) als Richtschnur

Die Landschaften der dicht besiedelten Schweiz sind zumeist belebte Räume, vom Menschen geprägt und auf vielfältige Weise beansprucht und genutzt: als Wohn-, Arbeits-, Erholungs-, Bewegungs-, Kultur- und Wirtschaftsraum und als räumliche Basis für die Biodiversität. Es sind Landschaften, die sich über die Jahrhunderte entwickelt haben und gerade in den letzten Jahrzehnten enorm umgestaltet wurden. In unserer durch Wachstum und Mobilität geprägten Gesellschaft müssen sie unterschiedlichsten Ansprüchen genügen. Das 2020 vom Bundesrat verabschiedete, aktualisierte «Landschaftskonzept Schweiz» (LKS)1 ist die eigentliche Richtschnur für einen Ausgleich der Interessen und gibt den Rahmen für eine kohärente und qualitätsorientierte Entwicklung der Landschaft vor. Die Vision des Bundesrates ist es, dass die Schönheit und die Vielfalt der Schweizer Landschaften mit ihren regionalen natürlichen und kulturellen Eigenarten sowohl heutigen als auch künftigen Generationen eine hohe Lebens- und Standortqualität bieten. Zur Realisierung dieser Vision definiert das LKS je sieben allgemeine und landschaftsspezifische Landschaftsqualitätsziele sowie darauf abgestimmte Sachziele für die landschaftsrelevanten Sektoralpolitiken. Das LKS wirkt dabei als Koordinationsinstrument der verschiedenen Gesetze und Instrumente, die sich mit der Landschaft befassen – dies betrifft den Natur- und Heimatschutz und die Raumplanung ebenso wie die Landwirtschaftspolitik, die Landesverteidigung, die Regionalpolitik oder den Tourismus. So soll die Regionalentwicklung etwa die Vielfalt der Landschaften mit ihren regionaltypischen Natur- und Kulturwerten als wichtigen Standortqualitäten und insbesondere als Alleinstellungsmerkmalen stärker berücksichtigen. Sie soll sowohl zu deren Sicherung wie auch zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung beitragen.

Der Kanton als Koordinator und Wegbereiter

Projekte zu entwickeln, die den gesellschaftlichen Ansprüchen an eine hohe Landschaftsqualität gerecht werden und wirtschaftlich erfolgreich – also insgesamt nachhaltig – sind, bringt für die jeweiligen Initianten einige Herausforderungen mit sich. Es gilt den Aktionsradius zu definieren, in dem der Aufwand und der wirtschaftliche Ertrag räumlich in etwa übereinstimmen, sich aber auch in den vielfältigen Vorschriften, Fördermöglichkeiten und Handlungsebenen zurechtzufinden. Erfolgreiche Beispiele, Hilfsmittel und Unterstützungsangebote weisen inzwischen den Weg. Der Kanton Tessin beispielsweise hat mit der «Piattaforma paesaggio» eine Anlaufstelle beim Amt für Raumentwicklung etabliert, die entsprechende Projekte koordiniert. Sie dient Projekt­initianten – ob Gemeinden, Korporationen, Vereinen oder Verbänden – als eine Art One-Stop-Shop. Expertinnen und Experten helfen bei der Finanzierung, beraten und begleiten die Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller und leiten sie zu weiteren Fördermöglichkeiten, etwa zu privaten Organisationen und Stiftungen. «Das finanzielle Engagement des Kantons ist oft eine entscheidende Voraussetzung, um weitere Unterstützung zu erhalten», erklärt Paolo Poggiati, Präsident der «Piattaforma paesaggio». Im Zeitraum von 2008 bis 2018 wickelte die Plattform 57 Projekte mit einem Investi­tionsvolumen von insgesamt rund 30 Millionen Franken ab. Nicht zuletzt bündelt die Plattform auch die Aufgaben aller beteiligten kantonalen Ämter (Wirtschaft, Wald und Landwirtschaft, Natur- und Heimatschutz, Denkmalpflege usw.). «Die Projekte sind vor allem für die abseits gelegenen Seitentäler und Berggebiete enorm wichtig», betont Poggiati. «Dort haben die Initiativen lokale Wertschöpfungsketten wiederbelebt und neue Formen der Zusammenarbeit ausgelöst.»

Good Practices landschaftsbezogener Regionalentwicklung

Im Auftrag des BAFU hat die PLANVAL AG die praktischen Möglichkeiten untersucht, ob und wie die Landschaft als Potenzial für eine nachhaltige regionale Entwicklung wirken kann und wie Regionen in ihrer Entwicklung konkret von einem «Leitthema Landschaft» profitieren können. Die Studie2 umfasst mehr als hundert Landschaftsprojekte und kategorisiert deren Strategien zur Inwertsetzung der Landschaft als «marktwirtschaftlich» (Wohnstandort, Tourismus, Energie), «Abgeltung für Landschaftsleistungen» oder «gemischt» (Pärke, Landwirtschaft). Vertieft beleuchtet die Studie schliesslich zwölf Musterbeispiele aus der Schweiz, die inhaltlich ein breites Spektrum von Aktivitätsbereichen abdecken. Die Inwertsetzung gelingt am besten, wenn die spezifischen Potenziale einer Landschaft erkannt, gezielt genutzt und erhalten werden. Dazu braucht es meist das Zusammenspiel mehrerer Fachbereiche wie Tourismus, Landwirtschaft und Naturschutz. Ein zentrales Merkmal der Musterbeispiele ist, dass sich eine Stelle um die langfristige Steuerung und Koordination kümmert. Als sehr hilfreich haben sich dabei regionale Strategien erwiesen (vgl. «regioS 17»). Für die Umsetzung in der Praxis skizziert die Studie ein Modell mit Entwicklungspfaden, die sich in sechs Phasen gliedern lassen. Betont wird ausserdem die langfristige Ausrichtung. Schnelle Erfolge erleben die Beteiligten selten, gefragt sind vielmehr Beharrlichkeit, Durchhaltewille und Geduld.

© regiosuisse Basierend auf: «Landschaft als Leitthema für eine nachhaltige Regionalentwicklung». Eine Analyse von Musterbeispielen. Schlussbericht. PLANVAL, im Auftrag des BAFU. Bern, 2019.

«100 % Valposchiavo»

Eindrücklich zeigt dies die Landschaftsentwicklung im Puschlav, wo derzeit die zweite Etappe des Projekts «100 % Valposchiavo» läuft. Das Ziel: Bis 2028 sollen alle Bauern und Bäuerinnen im Tal ihre Betriebe nicht nur biologisch bewirtschaften, sondern auch alle Erzeugnisse – Milch- und Fleischprodukte, Buchweizenmehl, Kräuter, Früchte usw. – selber verarbeiten und unter dem Label «100 % Valposchiavo»® vermarkten. Die Region baut damit eine geschlossene Wertschöpfungskette auf. Mit gutem Erfolg: «Es gibt heute schon über hundert Produkte mit dem Zertifikat», erklärt Cassiano Luminati, Direktor des Polo Poschiavo. Die meisten Restaurants im Tal führen seit 2015 auf ihrer Speisekarte Gerichte, die ausschliesslich mit lokalen Zutaten zubereitet sind. An den Kosten der aktuellen Etappe 2021 bis 2028 beteiligt sich der Bund im Rahmen des Programms «Projekte zur regionalen Entwicklung» (PRE) des Bundesamtes für Landwirtschaft mit 10,7 Millionen Franken. Die Entwicklung des Puschlavs zum innovativen «Bio Smart Valley» ist von langer Hand geplant. «Das Tal zählt zu den Pionieren der biologischen Landwirtschaft», ruft Luminati in Erinnerung. Bereits heute werden 95 Prozent der Landwirtschaftsfläche biologisch bewirtschaftet – ein schweizweit einmaliger Anteil. Ein entscheidender Schritt für die Entwicklung im Tal war die Anerkennung der Bernina-Bahnlinie als UNESCO-Welterbe 2008. «Wir haben in der Folge partizipativ eine regionale Strategie entwickelt, die die materiellen und immateriellen Ressourcen unseres Gebietes in den Mittelpunkt stellt», sagt Luminati. Ziel ist es, das Valposchiavo zur grundlegenden wirtschaftlichen Basis der regionalen Entwicklung zu machen; der Weg dazu führt über eine Symbiose aus biologischer Landwirtschaft und nachhaltigem Tourismus auf dem Fundament der einzigartigen Landschaft. Das Tal steckt somit mitten in einem Langzeitvorhaben, das die Bevölkerung Schritt für Schritt in die Tat umsetzen wird. Sie nutzt dazu geschickt die zahlreichen Instrumente, die die Politik zur Verfügung stellt. Mit dem jüngsten Projekt – dem Modellvorhaben «Landschaftswerte für die nächste Generation erhalten» – versucht das Tal den Weg in die Zukunft mittels einer gemeinsamen «Perspektive 2040» weiter zu justieren. Das historische Gedächtnis des Tals, das traditionelle Landschaftswissen und die Wertvorstellungen der lokalen Bevölkerung sollen noch stärker in die Regionalentwicklungsprozesse einfliessen.

Blick auf Poschiavo GR im Puschlav © regiosuisse

Geschichte neu lanciert

Über alle Förderinstrumente betrachtet, betreffen rund zwei Drittel aller in der PLANVAL-Studie untersuchten Projekte zur Inwertsetzung von Landschaft den Tourismus. Das ist kein Zufall, bedenken wir die einzigartige Dichte attraktiver Landschaften in der Schweiz und die historische Entwicklung. Die «Entdeckung der Alpen» durch vorwiegend englische Bildungsreisende begründete gleichsam den Schweizer Tourismus. In Anlehnung an die sogenannte «Grand Tour», die Thomas Cook 1858 erstmals als Pauschalreise durch die Schweiz organisierte, steht bei dem 2015 von Schweiz Tourismus lancierten Projekt «Grand Tour of Switzerland» die landschaftliche Vielfalt im Mittelpunkt. Die 1640 Kilometer lange Route führt – meist im eigenen Auto – durch die spektakulärsten Landschaften und die attraktivsten Städte der Schweiz. Sie verknüpft 5 Alpenpässe, 22 Seen, 12 UNESCO-Welterbestätten und 45 Sehenswürdigkeiten. Das Angebot greift dabei auf bestehende Infrastrukturen im Verkehr, in der Gastronomie und der Hotellerie zurück. Neu sind lediglich 650 diskrete Wegweiser sowie 48 installierte «Fotorahmen», die besondere Landschaftsausschnitte einfassen und zum Fotografieren einladen. «Mit ihnen rücken wir die ikonografischen Landschafts- und Siedlungsbilder ins eigentliche Zentrum des Erlebnisses», erklärt Konzeptentwickler Matthias Imdorf von der Erlebnisplan AG, der als Berater mit von der Partie war. Imdorf ist überzeugt, dass die Inwertsetzung der Landschaft noch «fast endloses Potenzial bietet».

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Ökonomischer Nutzen schwer erfassbar

Die Fallbeispiele der PLANVAL-Studie veranschaulichen eindrücklich, dass eine nachhaltige, qualitätsorientierte und vielfältige Nutzung und Bewirtschaftung von Landschaft gelingen kann. Vorausgesetzt werden die Kenntnis der komplexen gesetzlichen Rahmenbedingungen und eine zielgerichtete Koordination der Beteiligten im Sinne einer Good Governance.

Der ökologische und landschaftsästhetische Nutzen ist in vielen Fallbeispielen ebenso offensichtlich wie die ideellen Benefits wie Imagegewinn, Kooperationskultur oder neue sozioökonomische Netzwerke. Welche konkrete Wertschöpfung sich mit landschaftsbezogenen Produkten und Dienstleistungen effektiv erzielen lässt, bleibt aber mangels Daten häufig diffus. Es lässt sich nur indirekt ermitteln, welcher volkswirtschaftliche Nutzen einer Region entgeht, wenn sie auf die Inwertsetzung der Landschaft verzichtet. In dieser Hinsicht gilt es noch einige ökonomische Grundlagenarbeit zu leisten. «Zwar lässt sich der unmittelbare Nutzen der Landschaft etwa für die Land- und Forstwirtschaft oder für eine konkrete Region und Fragestellung meistens ziemlich genau berechnen, doch die kulturellen und touristischen Leistungen von Landschaft lassen sich insgesamt schwer beziffern», stellen Ökonomen der HES-SO Genève in einer Metastudie3 fest.

Nicht zwingend besteht eine direkte Beziehung zwischen dem ökologischen Wert einer Landschaft, etwa als Hotspot der Biodiversität, und ihrem ökonomischen Wert. Ein vielbesuchter Stadtpark ist ökonomisch allenfalls wertvoller als ein peripheres Naturgebiet. Um den Wert und die Leistungen einer Landschaft trotzdem zu erfassen, bedient sich die Landschaftsökonomie indirekter Methoden, etwa um mithilfe der Immobilienwerte die Seesicht und das Bergpanorama zu bewerten. Eine BAFU-Studie4 aus dem Jahre 2014 ermittelt auf solche Weise den Erholungswert des Schweizer Waldes auf zwei bis vier Milliarden Franken pro Jahr. Eine Studie5 der ETH und der Schweizer Pärke von 2018 beziffert die touristische Wertschöpfung für den Landschaftspark Binntal auf 22 Millionen Franken und für den Parc Ela auf 106 Millionen Franken pro Jahr.

Insgesamt ist die Faktenlage hinsichtlich der ökonomischen Bewertung der Landschaft deshalb zurzeit noch unbefriedigend. Die Messbarkeit landschaftsinduzierter Wertschöpfung wäre aber eine wichtige Voraussetzung, um landschaftsbezogene Regionalentwicklung gezielter anzugehen. Der Tourismusexperte Jürg Schmid sieht vor allem im naturnahen Tourismus überdurchschnittliche Wachstumsmöglichkeiten, die genutzt werden könnten, ohne die Landschaftsqualität zu beeinträchtigen. «Die regionalen Naturpärke und die Welterbegebiete präsentieren die Essenz der Schweizer Natur und die regionale Vielfalt. Doch es fehlen lustvolle, gästeorientierte Angebote und spezifisch auch Erlebnisse für den Premium-Reisemarkt, die das grosse Potenzial in Wertschöpfung umsetzen», so Schmid (vgl. Roundtable «Die attraktive Landschaft ist das Fundament unseres Tourismus.»).

Potenziale, Instrumente und gute Vorbilder, um die hohe Landschaftsqualität in den Regionen der Schweiz zu nutzen und gleichzeitig zu fördern, sind also vorhanden. Was es braucht, sind engagierte Menschen mit guten Ideen und einem langen Atem, die die Potenziale erkennen und andere Leistungsträger zum Mitmachen begeistern.

Gesetzlicher Rahmen und Förderinstrumente

Landschaftsrelevante Gesetzgebung: Bundesverfassung (BV), Raumplanungsgesetz (RPG), Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG), Pärkeverordnung (PäV), Landwirtschaftsgesetz (LwG), Waldgesetz (WaG), Gewässerschutzgesetz (GSchG), Bundesgesetz über Fussund Wanderwege (FWG), Jagdgesetz (JSG), Bundesgesetz über die Fischerei (BGF), Energiegesetz (EnG), Nationalstrassengesetz (NSG), Eisenbahngesetz (EBG), Landschaftskonzept Schweiz (LKS) u.a.

Förderinstrumente des Bundes: Neue Regionalpolitik (NRP), Pärkepolitik des Bundes, ProgrammvereinbarungenNaturschutz und LandschaftFinanzhilfen nach Art. 13, NHG (Historische Verkehrswegeund Ortsbilder/Denkmalpflege), Projekte zur regionalen Entwicklung(PRE), Landschaftsqualitätsprojekte(LQP), Modellvorhaben NachhaltigeRaumentwicklung (MoVo), Tourismusförderung^(Innotour), Landschaftsfonds Schweiz u.a.

gantrisch.ch

valposchiavo.ch

grandtour.myswitzerland.com

regiosuisse.ch/nrp

parks.swiss

bafu.admin.ch/paerke

blw.admin.ch/pre

regiosuisse.ch/finanzhilfen

Literatur und weiterführende Informationen

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Dank Resilienz Krisen trotzen

Pirmin Schilliger

Der Schwerpunkt der Neuen Regionalpolitik (NRP) liegt zwar darauf, die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen längerfristig zu stärken und sie bei der Bewältigung des Strukturwandels zu unterstützen. Die Krisenintervention steht nicht im Fokus. Die Corona-Krise bietet jedoch Anlass, die bisherige Strategie kritisch zu durchleuchten. Die zentrale Frage dabei: Mit welchen Massnahmen und Projekten können sich die Regionen auf künftige Schockereignisse und generell auf einschneidende Veränderungen besser vorbereiten? Was können wir dabei allenfalls vom Ausland lernen? Klar scheint: Aspekte der Resilienz sollten künftig systematisch in die Regionalpolitik einfliessen. Doch was heisst das genau?

«In den letzten Jahren ist es uns gelungen, unsere Region stark als Destination für nachhaltigen Tourismus zu positionieren. Dies kam uns – zusammen mit dem traditionell hohen Anteil an Schweizer Gästen – in der Krise sicherlich entgegen», erklärt Martina Schlapbach, Regionalentwicklerin der Regiun Engiadina Bassa/Val Müstair. Dazu beigetragen, die Auswirkungen der Krise abzufedern, hätten nicht zuletzt verschiedene NRP-Projekte, die den nachhaltigen Tourismus förderten. Ähnlich tönt es in Bezug auf die aktuelle Krisenbewältigung im Berner Oberland: Stefan Schweizer, Geschäftsführer der Regionalkonferenz Oberland Ost, ist überzeugt, dass die Region dank der NRP «insgesamt breit abgestützt reagieren konnte». Er denkt dabei ebenfalls an zahlreiche NRP-Projekte, die in jüngster Zeit realisiert worden sind und auf einen vielseitigen und abwechslungsreichen Tourismus abzielen. Allerdings wirft Schweizer die Frage auf, wie weit man sich auf eine so aussergewöhnliche Situation wie die Corona-Krise überhaupt vorbereiten kann.

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Die richtigen Schlüsse ziehen

Sollte die Pandemie schnell abklingen, sodass sich die Wirtschaft rasch wieder erholen kann, liesse sie sich als einmaliger Sonderfall abhaken. Ein Ausnahmeereignis, das nicht überinterpretiert werden sollte und aus dem keine falschen Schlüsse zu ziehen sind. Doch mit der zweiten Pandemiewelle deuten die Zeichen in eine andere Richtung: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stehen weiterhin vor der Herausforderung, mit vereinten Kräften die Krise zu meistern und die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schäden möglichst zu begrenzen. Darüber hinaus gilt es die Auswirkungen dieses Ereignisses zügig und gründlich zu analysieren und die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Im Rahmen der NRP stellt sich die Frage, welche grundsätzlichen Schwächen die Pandemie im regionalen Wirtschaftsgefüge offengelegt hat. Dieser Aufarbeitungsprozess drängt sich speziell in jenen Regionen auf, die besonders unter den Auswirkungen der Pandemie gelitten haben. Deren Verwundbarkeit beziehungsweise Krisenexponiertheit sollte unter die Lupe genommen werden. Dabei interessiert die Beteiligten besonders, wie sich eine Region auf künftige Schocks und einschneidende Veränderungen besser vorbereiten kann. Und: Lassen sich die damit verbundenen Risiken und Gefahren bereits heute entschärfen oder vielleicht gar in Chancen umwandeln?

Eine Lösung könnte eine Regionalentwicklung bieten, die sich in Zukunft strikt an Aspekten der Resilienz ausrichtet. Doch was bedeutet dies? Der Begriff kommt von lateinisch «resilire», was so viel heisst wie «zurückspringen» oder «abprallen». «Resilienz» bezeichnet die Fähigkeit eines Systems, nach Störungen wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzukehren. In der Psychologie ist ein resilienter Mensch gegenüber einschneidenden, schockartigen Ereignissen widerstandsfähig und bleibt auch in Krisensituationen psychisch stabil.

Seit rund zwei Jahrzehnten ist Resilienz auch Thema in der Ökonomie und der Ökologie. Genauso wie der Mensch kann auch ein komplexes System seine Strukturen und Funktionen dank laufender Anpassung selbst in heftigen Veränderungsphasen stabil und intakt halten. Es ist kein Zufall, dass der Begriff stets in Krisenzeiten Hochkonjunktur hatte und hat – während der Finanzkrise 2008, der Eurokrise 2015 oder nun in der Corona-Krise. Weltweite Vorreiter resilienzorientierter Strategien in der Raumentwicklung sind jene hundert Grossstädte, die sich 2011 dem von der Rockefeller-Stiftung initiierten internationalen Programm «Global Resilient Cities Network» angeschlossen haben. Das eigentliche Ziel seiner Bemühungen besteht darin, die Städte gegenüber klimatischen Extremereignissen und umweltbedingtem Stress resistenter zu machen.

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Ein Modell und weitere Ansätze

Das aus der Stadtplanung bekannte Konzept der Resilienz hat in jüngster Zeit in der ländlichen Regionalentwicklung Einzug gehalten. Spätestens mit der Studie der ÖAR Regionalberatung GmbH «Wie gehen Regionen mit Krisen um?» von 2010 im Auftrag des österreichischen Bundeskanzleramtes ist es in unserem östlichen Nachbarland ein Thema. Die dortigen Regionalforscher kamen zum Schluss, dass resiliente Regionen in Notsituationen einen von drei möglichen Entwicklungspfaden einschlagen: Entweder überstehen sie die Krise ohne negative Veränderungen (Entwicklungspfad 1), oder sie vermögen die negativen Veränderungen nach kurzer Zeit zu kompensieren (2) oder gar zu überkompensieren (3). Im besten Fall gehen sie also gestärkt aus der Krise hervor. Resilienz ist in diesem Sinne das heilsame Gegenmittel zur Vulnerabilität. Eine resiliente Region ist fähig, in Krisensituationen ungeahnte Selbstheilungskräfte zu mobilisieren. Sie findet auf Bedrohungen und Herausforderungen rasch die richtige Antwort. Die drei Entwicklungspfade beruhen auf sozialen, ökologischen und ökonomischen Indikatoren, die sich klar identifizieren und messen lassen: Zu ihnen zählen unter anderem Bevölkerungsentwicklung, Lebenszufriedenheit, Kulturausgaben, Umweltqualität, Risikoexposition, Wertschöpfung, Durchmischung der Betriebe, Neugründungen usw. Die ÖAR Regionalberatung GmbH hat in ihrer Studie ein umfassendes Resilienzmodell entwickelt. Der Weg zur resilienten Region führt über bewusste Steuerungs-, Gestaltungs- und Ausgleichsprozesse. Diese verknüpfen das Grundprinzip der nachhaltigen Entwicklung mit wirtschaftlicher und gesellschaft­licher Diversifizierung, Bildung und Weiterbildung, Zukunftsorientierung sowie Innovation und Fehlerkultur.

Mittlerweile gibt es neben dem Modell der ÖAR weitere Ansätze, die zeigen, wie Resilienz in den ländlichen und peripheren Räumen etabliert werden könnte. Gabi Troeger-Weiss, Leiterin des Lehrstuhls für Regionalentwicklung an der Technischen Universität Kaiserslautern, betreibt vor allem raumbezogene Risikoforschung. Sie untersucht, wie sich demografische, gesellschaftliche, soziale, klimatologische und wirtschaftliche Trends wie die Digitalisierung auf die Resilienz der Region von morgen auswirken könnten. Die «Ländliche Entwicklung Bayern» des Bundeslandes Bayern hat 2019 im Oberallgäu ein Pilotprojekt lanciert, das Anknüpfungspunkte identifizieren soll, wo die Resilienz in der Regionalentwicklung berücksichtigt werden kann. Pragmatisch geht das Thema «The Resilient Regions Association» an, die in Malmö (Schweden) eine politisch neutrale Plattform dafür geschaffen hat. Vertreterinnen und Vertreter von Hochschulen, Wirtschaft, Gemeinden, Regionen und Unternehmen treffen sich regelmässig, um unter dem Blickwinkel der Resilienz regionale Aufgaben zu lösen.

Einen inhaltlich breiteren Ansatz verfolgen Daniel Deimling und Dirk Raith. Die beiden Regionalforscher der Universität Graz propagieren eine alternative Vision regionaler Resilienz als zukunftsfähiges Paradigma regionaler Entwicklung. Diese Art von Resilienz sollte sich nicht in einer blossen Anpassung an externe Krisen und Schocks erschöpfen, sondern vielmehr transformativ angelegt sein und eine Reregionalisierung und Relokalisierung anstreben. Regionen sollten befähigt werden, auch völlig veränderten Bedingungen zu trotzen. Periphere Regionen könnten so den Teufelskreis aus Abwanderung und Verlust der Lebensgrundlagen durchbrechen.

Vulnerabilität und Resilienz
Das Konzept der Vulnerabilität (Verwundbarkeit, englisch «vulnerability») und der Resilienz hat sich seit den 1980er-Jahren zu einer zentralen Kategorie verschiedener akademischer Disziplinen entwickelt. Über das Fach «Geografie» hat es mitsamt den beiden Begriffen auch in der Raumentwicklung Einzug gehalten, vor allem im Zusammenhang mit Naturgefahren und dem Klimawandel. Der konzeptionelle Kern der Vulnerabilitäts- beziehungsweise der Resilienztheorie liegt in einem doppelten strukturellen Ansatz: Die Vulnerabilität ergibt sich aus externen Risiken, denen ein Raum oder eine Region ausgesetzt ist, sowie aus mangelnder Resilienz, also aufgrund eines Mangels an Mitteln, die drohenden Risiken zu bewältigen. Die Analyse der räumlichen und gesellschaftlichen Verwundbarkeit und Resilienz konzentriert sich folglich auf das Wechselspiel zwischen der Exposition gegenüber den Risiken und den Möglichkeiten, deren Auswirkungen im Ereignisfall möglichst ohne grösseren Schaden zu bewältigen.
 
Wisner B., Blakie P., Cannon T.: At Risk. Natural hazards, people’s vulnerability and disasters. London, 2004

Resilienz – die Zukunft nachhaltiger Regional- und Raumentwicklung

In der Schweiz ist Resilienz vor allem in der Forschung schon länger ein Thema, unterschwellig aber auch in der Umsetzung der NRP. «Viele Massnahmen der NRP zielen darauf ab, eine nachhaltige und stabilisierende Wirkung zu entfalten. Die meisten der bisher lancierten Projekte tragen zumindest zur Resilienz bei, auch wenn davon bisher kaum explizit die Rede war», erklärt Johannes Heeb, Leiter des Weiterbildungsbereichs «formation-regiosuisse». «Allerdings», unterstreicht er, «fehlte bei alldem bis jetzt der systematische Ansatz.» Das soll sich nun ändern. Mit dem Online-Weiterbildungsmodul «Resiliente Regionen entwickeln» hat formation-regiosuisse diesen Herbst das Thema konkret angepackt. Das Webinar richtete sich an sämtliche Akteurinnen und Akteure der Regionalentwicklung. Es ermöglichte ihnen, sich mit den Grundlagen der Resilienz vertraut zu machen und konkrete Handlungsansätze für die Praxis zu entwickeln. «Wir brechen die verfügbaren theoretischen Konzepte auf die Praxisebene der Regionen herunter», so Heeb. Agilität, Innovation, Team- und Projektkultur sowie Prävention werden als operative Elemente im Resilienz-Management eingesetzt. «Unser Ziel ist es», betont Heeb, «die Regionen darin zu befähigen, auf Veränderungen und Krisen stabilisierend zu reagieren und als Auslöser von Innovation und weiterer Entwicklung zu nutzen.»

Regionen resilienter zu machen, beruht demnach auf einem vielschichtigen Prozess. Ein «Resilienzbarometer», wie es das Pestel-Institut in Hannover entwickelt hat, könnte den Regionen helfen, im Streben nach Resilienz nicht blind entscheiden zu müssen. Das Instrument analysiert und misst mittels 18 Indikatoren die Verletzbarkeit/Verwundbarkeit einer Region. Es hilft abzuschätzen, wie weit eine Region im Krisenfall handlungsfähig bleibt. Ausserdem zeigt es, wie diese Handlungsfähigkeit mittels Ressourcenausstattung, Sozialkapital und Flexibilität präventiv verbessert werden kann. Das primär für Regionen in der EU entwickelte «Resilienzbarometer» könnte – auf Schweizer Verhältnisse eingestellt – auch für die NRP-Regionen ein durchaus nützliches Instrument werden.

Wie lässt sich eine Region resilienter machen?
Als Vorsorgeinstrument zielt Resilienz darauf ab, die Verwundbarkeit beziehungsweise die Krisenexposition einer Region und Klumpenrisiken zu reduzieren. Folgende Strategien tragen dazu bei:

  • Diversifizierung der Wirtschaft anstatt Monostruktur – also mehrere Branchen, unterschiedlich grosse Unternehmen, vielseitige Markt-, Arbeits- und Wohnbeziehungen.
  • Humanressourcen und Sozialkapital – hohes Bildungsniveau mit breit einsetzbaren Fachkräften, ausgewogene Bevölkerungs- und Altersstruktur.
  • Eine effiziente und aktiv gestaltete regionale Governance mit zukunftsweisenden Strategien, die auf den regionalen Stärken aufbauen.
  • Zukunftsorientierung und frühzeitiges Erkennen langfristiger Entwicklungen (wie dies im Rahmen der NRP über Regionale Entwicklungsstrategien/RES angestrebt wird, vgl. «regioS 17»).
  • Veränderungsbereitschaft, Flexibilität, Agilität, Innovationsfähigkeit, Multidisziplinarität.
  • Lern- und Kooperationsfähigkeit, dichte Kommunikationsnetze, kurze Feedbackwege, Neugierde und Offenheit.

Letztlich ist Resilienz kein Zielzustand, sondern ein Prozess, der mithilfe einer spezifischen Methodik zur nachhaltigen Entwicklung einer Region und zu einem besseren Umgang mit Krisen führt.

Modellvorhaben im Oberwallis

Pionierarbeit in dieser Hinsicht leistet das Beratungsbüro EBP in Zusammenarbeit mit der Regions- und Wirtschaftszentrum Oberwallis AG (RWO). EBP hat ein Analysetool zur räumlichen Resilienz entwickelt, das teils auf den erwähnten internationalen Konzepten (Rockefeller-Stiftung, Pestel-Institut, Deutsche Bundesanstalt für Strassenwesen usw.) beruht. Dieses wird nun im Modellvorhaben «Resiliente Bergregionen: Eigenstärken nutzen in der Region Oberwallis» erstmals in Schweizer Berggebieten getestet, und zwar in der Gemeinde Mörel-Filet und im Lötschental. «Das Analysetool beruht auf einem Fragebogen mit 10 Themenfeldern, 21 Subthemen und 80 Indikatoren, die wir nicht nur anhand von Zahlen und Statistiken, sondern auch von qualitativen Fragen an die lokalen Akteure genauer unter die Lupe nehmen», erläutert Projektleiter Christian Willi. Ziel des Modellvorhabens ist es, die Ergebnisse der Resilienzanalyse in eine Regio­nale Entwicklungsstrategie (RES) für die Oberwalliser Berggemeinden einfliessen zu lassen, die auch einen konkreten Massnahmenkatalog umfasst. Der Lead für die Analyse liegt bei EBP. Die Umsetzung der Massnahmen im Rahmen der Entwicklungsstrategie erfolgt vor allem zusammen mit der RWO und weiteren regionalen Akteurinnen und Akteuren. Das Projekt ist Teil der Modellvorhaben «Nachhaltige Raumentwicklung des Bundes 2020–2023». «Die aus diesem Pilotprojekt gewonnenen Erkenntnisse können genutzt werden, um auch in anderen Regionen eine Resilienzkultur zu etablieren», betont Willi, mit dem Ziel, dass Resilienzbewusstsein künftig systematisch in sämtliche Regionalen Entwicklungsstrategien (RES) und die entsprechenden Massnahmen und Projekte einfliesst.

© regiosuisse

Bottom-up – aus den Regionen

Die Corona-Krise hat die Verwundbarkeit der Regionen schonungslos aufgezeigt. Allerdings ist sie lediglich eines von vielen Krisen- und Bedrohungsszenarien. Umso dringender stellt sich für die Zukunft die Frage der Risikominimierung und Prävention. Martina Schlapbach von der Regiun Engiadina Bassa/Val Müstair ist überzeugt, dass grundsätzlich jede strukturschwache Region resilienter gemacht werden kann. Sie plädiert aber bei der Umsetzung für regional angepasste Lösungen. «Man sollte bedenken, dass Strukturschwäche innerhalb einer Region ganz anders wahrgenommen und definiert wird als ausserhalb. Resilienz muss folglich genau auf die Bedürfnisse der Bevölkerung abgestimmt werden.» In der Corona-Krise habe sich die aktuelle Entwicklungsstrategie jedenfalls bewährt, führt sie weiter aus. «Wir wurden darin bestärkt, den eingeschlagenen Weg in Zukunft noch stärker zu forcieren.» Es bedeutet, dass die Regiun Engiadina Bassa/Val Müstair noch gezielter auf nachhaltigen Tourismus setzen will. Zudem soll der Ausbau digitaler Infrastrukturen und virtueller Austauschplattformen die Rahmenbedingungen für flexible Arbeits-, Wohn- und Lebensmodelle weiter verbessern. «Und abgestimmt auf die Bedürfnisse der Unternehmen und der Bevölkerung wollen wir auch Experimente wagen», so Schlapbach.

Stefan Schweizer meint: «Auf die Stärkung der Handlungsmöglichkeiten einer Region in Krisensituationen hinzuarbeiten, ist immer sinnvoll.» Allerdings hat er Bedenken in Bezug auf das Verhältnis von Aufwand und Nutzen. «Ob und in welchem Umfang Resilienz strategisch entwickelt und operationell umgesetzt werden soll, muss jede Region für sich beurteilen.» 

regiosuisse-Themendossier «Resilienz in der Regionalentwicklung»
Wie können Regionen resilienter werden, um auf zukünftige Schocks besser vorbereitet zu sein und gestärkt daraus hervorzutreten? Das regiosuisse-Themendossier bietet einen Einstieg ins Thema und mögliche Ansätze für die Umsetzung in den Regionen: regiosuisse.ch/resilienz

© regiosuisse

regiosuisse.ch/nrp – modellvorhaben.ch

Literatur

Resiliente Regionen. Zur Intelligenz regionaler Handlungssysteme. In: «Multidisziplinäre Perspektiven der Resilienzforschung», pag. 295–332. Robert Lukesch. Springer Fachmedien, Wiesbaden, 2016.

Regionale Resilienz. Zukunftsfähig Wohlstand schaffen. Dirk Raith, Daniel Deimling, Bernhard Ungericht, Eleonora Wenzel. Metropolis Verlag, 2017.

Wie gehen Regionen mit Krisen um? Eine explorative Studie über die Resilienz von Regionen. Robert Lukesch, Harald Payer, Waltraud Winkler-Rieder. Wien, 2010.

La résilience, un outil pour les territoires ? Clara Villar (Cerema) e Michel David (MEDDE/CGDD). IT-GO Rosko, 2014.

La résilience en trois actes: résistance, reset et relance.  Xavier Comtesse, Mathias Baitan.

Resilienza tra territorio e comunità, Approcci, strategie, temi e casi, Fondaziona cariplo, 21, 2015.

La resilienza territoriale: un concetto polisemico per lo sviluppo delle scienze regionali». Paolo Rizzi. Scienze Regionali, 1/2020.  

Resilienza e vulnerabilità nelle regioni europee. Paola Graziano und Paolo Rizzi. Scienze Regionali, 1/2020.

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