Mit Leidenschaft für Biogemüse

Jana Avanzini

Im Berner Seeland, dem «Gemüsegarten der Schweiz», wollen Gemüseproduzentinnen und ­-produzenten mit Unterstützung eines Projekts zur regionalen Entwick­lung (PRE) den biologischen Gemüseanbau in der Region stärken und nachhaltig verankern. Stand im ersten Jahr die Infrastruktur im Fokus, geht es nun um die Positionierung des Biogemüses für die Zukunft, etwa um die Stärkung des Vertrauens von Grossanbietern und kleineren Partnerinnen und Partnern, aber auch um Identifikation der Konsumentinnen und Konsu­menten mit den Betrieben und am Ende auch mit dem Gemüse selbst. Fritz Burkhalter, Präsident des Vereins PRE BioGemüse Seeland, ist überzeugt, dass der Markenname «Passion Seeland» schon jetzt Programm ist.

Bio boomt, nicht erst seit gestern. Schätzungen zufolge kaufen mittlerweile 56 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer täglich biologisch produzierte Lebensmittel, ein Anstieg von vier Prozent innerhalb eines Jahres. Auch im Ber­ner Seeland will man dieser Nachfrage gerecht werden und sich den Herausforderungen stellen, wie die Biogemüsepro­duktion gestärkt werden kann.

Eine ganze Reihe von Biogemüseproduzentinnen und -produzenten aus der an den Jura grenzenden Region haben sich daher mit dem Ziel zusammengeschlossen, mit einer Pro­fessionalisierung der Aufbereitungs-­ und Vermarktungsstrukturen und der Förderung von Fachkompetenzen den biologi­schen Gemüseanbau im Seeland zu stärken und so neue Wertschöpfung für die Region zu schaffen.

Fritz Burkhalter ist Präsident des Trägervereins PRE Bio­ Gemüse Seeland. Die Marke nennt sich jedoch «Passion Seeland», und die ist im Gespräch mit dem Präsidenten definitiv spürbar. Offiziell gestartet hat das Projekt im November 2021, die Vorarbeiten dazu liefen aber bereits seit 2015. «Wir haben in diesen Jahren bereits viel ausprobiert und besprochen, es wurden Anpassungen am Konzept gemacht – nun steht das Projekt auf sehr stabilen Beinen», sagt Burkhalter.

Bau und «Anbau»

Vor dem Start des PRE befand sich die Infrastruktur der Bioproduzentenorganisation Terraviva und der regionalen Vermarktung von Biogemüse am Limit. Die Arbeit erfolgte zum Teil aus improvisierten Büros in Containern. Kein halt­ barer Zustand. Heute sind zwei Neubauten für Terraviva und «Passion Seeland» – die zentralen und primären Investitionen des Projekts – beinahe fertiggestellt. In ihnen werden neben den Büros auch die Verarbeitung und die Konfektionierung des Biogemüses für Grossverteiler wie Migros oder Coop Platz finden.

Den anstehenden «Anbau», wie es Fritz Burkhalter nennt, bilden zahlreiche Teilprojekte, etwa im Bereich Wissenstrans­fers und Forschung – ein Bereich der Landwirtschaft, der im Biosektor oft noch fehlt, so Burkhalter. Im «Anbau» geht es auch darum, die Kleinvermarktung von Biogemüse aus dem Seeland auszubauen. Bei den Grossverteilern laufe die Vermarktung bereits, sagt Burkhalter, bei Märkten und Hofläden hingegen bestehe noch Potenzial. Hier gehe es auch darum, über Koope­rationen ein breiteres Angebot zu schaffen und damit mehr Menschen zu erreichen und neue Kundschaft zu gewinnen. So spannen die Gemüse­- mit Fleisch-­, Milch-­ oder Honigproduzentinnen und ­-produzenten zusammen oder mit der Gastrono­mie, die auch «Fehlgrössen» – Gemüse in ungewohnter Form oder Grösse, das im Laden oft liegenbleibt – verwerten kann.

Ein weiteres Teilprojekt ist die branchenübergreifende Zusammenarbeit mit der regionalen Tourismusorganisation Murten Tourismus, die weiter ausgebaut werden soll. Dabei will man die Produkte erlebbar machen und so Wertschöpfung über den Tourismus und die Betriebe hinweg erzielen: «Gäste hin, Rüebli her», fasst es Fritz Burkhalter zusammen. Denn Erleb­nisse und Begegnungen schaffen Identität – und plötzlich ist die auf den ersten Blick austauschbare Tomate Teil einer Geschichte. So wird mit zahlreichen Partnerinnen und Partnern bei unterschiedlichsten, besonders agrotouristischen Angebo­ten zusammengearbeitet, die bereits bestanden und funktionieren. Die Gäste können mit gemieteten E-­Bikes die Höfe anfahren und zwischen dem Gemüseernten noch ein Lama streicheln. Selbst ein Gemüsekrimi gehört zum Programm.

Vorarbeit und Vertrauen

«Das Seeland gilt als die ‹Gemüsekammer der Schweiz›. Dieses Bild wollen wir wieder mehr promoten, auch über die regionalen Grenzen hinaus», sagt Fritz Burkhalter. Um die Marke «Seeland» zu stärken, wird auf diese traditionelle, teil­weise etwas in Vergessenheit geratene Eigenschaft der Region Jura Trois­Lacs gesetzt.

Das erste Projektjahr sei sehr erfolgreich verlaufen. Noch fünf Jahre dauert das Projekt bis zum Abschluss, was jedoch nicht bedeute, dass es dann zu Ende sein soll. Bis 2027 soll das Projekt zum Selbstläufer geworden sein, betont Fritz Burkhalter.

Die bisherigen Projektkosten liegen bei 79 Millionen Franken, wovon der Bund insgesamt 7 Millionen übernimmt und der Kanton Freiburg 5,6 Millionen. Den Rest finanzieren die Biogemüseproduzentinnen und ­-produzenten selbst.

© regiosuisse

Die Vorarbeit sei anstrengend gewesen und habe viele Beteiligte stark gefordert. Durch die gemeinsame Arbeit und den intensiven Austausch sei nun aber eine hohe Identifika­tion und breite Abstützung gegeben. Dass die Betriebe die Informationstafeln zu «Passion Seeland» von sich aus gewünscht haben und nun auch beziehen, sei ein kleines Detail, an dem sich das zeige. «Ich bin überzeugt, dass wir mit dem Projekt für die neuen Generationen Perspektiven in der Biolandwirtschaft schaffen, und dies nicht nur für die direkten Nachkommen, die einen Betrieb übernehmen, sondern auch für neue, junge Inter­essierte.» Für den Detailhandel wolle man Liefersicherheit schaf­fen, um Vertrauen und festes Zusammenarbeiten zu fördern, sagt Burkhalter: «Wir wollen die Region stärken und natürlich das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten gewin­nen. Doch am Ende sind wir vor allem für die Betriebe da.»

Projekte für regionale Entwicklung (PRE)

PRE fördern die Wertschöpfung in der Landwirtschaft und die regionale Zusammenarbeit. Auch ökologische, soziale oder kulturelle An- liegen sollen sie berücksichtigen. Das Instrument wurde im Rahmen der Agrarpolitik 2007 eingeführt mit dem Ziel, Agrar- und Regionalpolitik besser aufeinander abzustimmen, das regionale Potenzial auszuschöpfen und das landwirtschaftliche Einkommen zu erhöhen. PRE unterstützen Ideen regionaler Interessengruppen, die zur Förderung der ländlichen Entwicklung beitragen.

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«langsamer, leichter und lokaler»

Jana Avanzini

Es war nicht immer leicht, in den vergangenen Jahren auf Reisen zu gehen. Doch die Entwicklung vor und auch nach der Pandemie zeigt in der Schweiz einen Trend zu immer längeren und emissionsreicheren Reisen. Mit dem Projekt «bleib hier» wollte die Mobilitätsakademie des TCS, unterstützt durch die Koordinationsstelle für nachhaltige Mobilität (KOMO), dieser Entwicklung entgegentreten. Das Projekt fördert langsameres, leichteres und lokaleres Reisen und stellt dabei Angebote für Ferien zuhause, Mikroabenteuer in der Region oder Camping-Angebote mit Cargo-Bikes ins Zentrum. Als erfolgversprechend für die Zukunft haben sich Camping-Ferien mit dem Lastenvelo herausgestellt.

Ein Ausflug mit dem hübschen alten VW-Bus, mit dem Car die Familie in Ungarn besuchen, zum Skifahren mit dem Auto in die Berge fahren oder für die Ferien nach Irland fliegen: Es ist nicht der tägliche Pendlerstau für die Arbeit, es sind die Reisen, die wir in der Freizeit unternehmen, die in der Schweiz den grössten Teil des Gesamtverkehrs ausmachen. Besonders der Flugverkehr dominiert die Emissionen im Mobilitätsbereich. Für ganze 18 Prozent des Treibhausgasausstosses ist er verantwortlich. Ferienreisen – der alltägliche Freizeitverkehr ausgenommen – machen 55 Prozent der zurückgelegten Distanzen des gesamten Freizeitverkehrs aus. Und es wird immer mehr.
Im Vergleich zu den regelmässigen Pendlerwegen sind die Freizeitwege extrem vielfältig, wechseln spontan und ganz spezifisch je nach Freizeitaktivität. Dies macht es komplexer, Strategien und Planungen für einen nachhaltigen Freizeitverkehr zu entwickeln. Auch wenn eine Sache bleibt: Beim Freizeitverkehr dominiert bei praktisch allen Aktivitäten der motorisierte Individualverkehr. Die gute Nachricht: Es entwickelt sich ein neues Reiseverhalten: Schweizerinnen und Schweizer küren immer häufiger das eigene Land und die Nachbarstaaten zur Feriendestination.

© regiosuisse

Das Projekt «bleib hier»

Aufgrund dieser Fakten und Entwicklungen lancierte die Mobilitätsakademie des TCS, eine Tochtergesellschaft des TCS in Bern, auf das Jahr 2020 das Projekt «bleib hier». Sie setzte sich damit zum Ziel, in der dreijährigen Projektphase suffiziente Geschäftsmodelle für die Freizeitmobilität zu entwickeln. Im Zentrum stand die Frage, wie sich das Reisen in der Freizeit mit weniger Verkehr persönlich erfüllend und ökonomisch sinnvoll gestalten lässt. Das Projekt wurde unter dem Motto «langsamer, leichter und lokaler» lanciert.

Gemeint ist damit erstens die Entschleunigung, indem der Langsamverkehr als ressourcenschonende Form des Reisens propagiert wird. Dazu kommt der Aspekt des leichteren Reisens durch die Reduktion des Materialaufwands und einen genügsamen Umgang mit Konsum. Schliesslich ist der Aspekt des Lokalen mit Fokus auf kurze Wege und regionale Angebote. Projektleiter Jonas Schmid betont: «Spannende Freizeit muss nicht mit grossen Distanzen und viel Konsum verbunden sein.»

«Homelidays» und Camping mit Cargo-Bikes

Das Projekt begann 2020 mit einer Reihe von Experteninterviews und Befragungen zum Freizeitverhalten der Schweizerinnen und Schweizer. Daraus wurden drei Felder von Angeboten entwickelt. Dabei ging es um Dienstleistungen für die Ferien zuhause, um Mikroabenteuer und u alternative Campingmöglichkeiten in der Region. Das Angebot von Ferien zuhause, die sogenannten «Homelidays», wurde jedoch mangels Nachfrage während der ersten Testphase wieder fallengelassen.

Der Fokus lag somit bald auf dem «alternativen Camping» und den «Mikroabenteuern mit Carvelos». «Bleib hier» setzte intensiv auf E-Bikes und E-Cargo-Bikes. Zum Angebot gehörten Carvelo-Touren durch die Schweiz, Familienferien mit Übernachtungen, Camping mit dem Lastenvelo und Mikroabenteuer mit den E-Cargo-Bikes. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Läden in der Stadt Bern wurden «Themen-Bikes» lanciert: Cargo-Bikes, ausgerüstet mit Stand-up-Paddle-Boards, Campingequipment, Barbecue, grossen Lastenanhängern und vielen anderen Ausstattungen konnten gebucht werden. Bestimmt ein Dutzend verschiedene Carvelo-Angebote wurden getestet.
In Kooperation mit dem Campingplatz Eymatt in Bern entstand zudem ein Angebot zur Buchung von Carvelos und Mikrowohnwagen, samt Camping-Equipment und Tipps für Routen und Übernachtungsmöglichkeiten. «Die Camping-Angebote mit E-Cargo-Bikes waren definitiv der grösste Erfolg des Projekts», stellt Jonas Schmid rückblickend fest.

Emanuel Freudiger, TCS

Durchzogene Bilanz

Das Projekt wurde im Herbst 2022 abgeschlossen, die Erfahrungen und Erkenntnisse wurden ausgewertet. Mit Ausnahme der Angebote auf Campingplätzen und ein paar Angeboten mit lokalen Freizeit-Cargo-Bikes gelang es während der Projektlaufzeit allerdings nicht, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Äusserst positiv fiel hingegen das Echo auf das Camping-Angebot mit dem Lastenvelo aus. Dieses wird nun schweizweit auf TCS-Campings ausgebaut und weiterentwickelt.

Jonas Schmid blickt auf eine aussergewöhnliche Zeit zurück. Die Pandemie, die die drei Jahre des Projekts intensiv prägte, habe es massiv beeinflusst. «Wir hatten für das Projekt einerseits Vorteile durch die Covid-Situation, andererseits gab es auch massive Einschränkungen», so Schmid. Natürlich sei die Bevölkerung durch die Reisebeschränkungen sehr stark auf regionale Angebote ausgewichen, gleichzeitig habe sich auch das Konkurrenzangebot massiv vergrössert. Zudem sei es schwierig gewesen, das Projekt in den Medien bekanntzumachen, da diese hauptsächlich Pandemiethemen im Fokus hatten. «Und nach der Pandemie hat das Pendel auf die andere Seite ausgeschlagen. Sobald man wieder uneingeschränkt fliegen und reisen konnte, wurde das wieder stark genutzt.»

Emanuel Freudiger, TCS

Für Städte interessant

Als Erkenntnis für zukünftige ähnliche Projekte betont Schmid, wie zentral die kommunikative Power sei. «Ohne Präsenz in den Medien und ohne Plattformen, die die Angebote verbreiten, ist es äusserst schwierig.» Wichtig ist dafür auch eine intensive Vernetzung von touristischen Angeboten mit Anbietern aktiver Mobilität, beispielsweise die Vernetzung lokaler Freizeitangebote mit den in den Städten bereits stark genutzten Bike- und Trottisharing-Angeboten.
«Wir haben uns für den Vertrieb der Angebote intensiv bemüht, Partnerschaften mit touristischen Akteuren aufzugleisen», so Schmid. Die touristischen Vermarktungsorganisationen hätten wenig Interesse, lokale Angebote für die lokale Bevölkerung zu bewerben. «Die müssen Übernachtungszahlen generieren», so Schmid. «Interessant für uns sind kleine, lokale Partner wie die in Bern, die nun eigene Angebote mit den Freizeit-Cargo-Bikes weiterführen.» Das Zentrale an «bleib hier» sei die Nähe der Nutzerinnen und Nutzer und des Angebots. So sei auch die direkte Zusammenarbeit mit Städten besonders attraktiv, sagt Schmid. «Erstens wollen die Städte attraktiv für ihre Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch für Gäste sein und bleiben, zweitens sind solche Angebote im Interesse der Städte aufgrund gesteckter Klimaziele.» Ein Punkt, dessen Ausstrahlung in den kommenden Jahren nur zunehmen kann.

bleibhier.ch

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Näher am Ziel dank weniger Tempo

Jana Avanzini

Weniger Ressourcen zu verschwenden dank guter nachbarschaftlicher Beziehungen zwischen Unternehmen: Das ist das Ziel der Kreislaufwirtschaft im Rahmen von Arealentwicklungen. Im Ecoparc de Daval in Sierre VS wird das nun versucht.

Ein über 27 Fussballfelder grosser Industriepark: Das hört sich erst mal nicht besonders attraktiv an. Doch das Ziel in Sierre ist, auf dieser Fläche eine ökologischere und ökonomisch optimierte Gemeinschaft von Unternehmen zu schaffen. Zwanzig Jahre ist es her, seit die Idee des Ecoparc de Daval in Sierre entstanden ist. Die Gemeinde hat das Projekt schliesslich 2016 gestartet, die Umzonung und die Änderungen des Zonennutzungsplans nahmen erwartungsgemäss einige Zeit in Anspruch. Heute sind zehn Unternehmen Teil des Projekts – kleine Familienbetriebe ebenso wie international tätige Unternehmen, etwa Aqua4D, das wassersparende Bewässerungsanlagen für Industrie und Landwirtschaft produziert, ein Chocolatier oder das ehemalige Walliser Start-up Eversys, das mittlerweile mit seinen über 170 Angestellten führend ist im Segment der Premium-Kaffeemaschinen. Weniger Ressourcen zu verschwenden dank guter nachbarschaftlicher Beziehungen zwischen Unternehmen: Das ist das Ziel der Kreislaufwirtschaft im Rahmen von Arealentwicklungen. Im Ecoparc de Daval in Sierre VS wird das nun versucht.

Sebastian Barbey, Aqua4D © regiosuisse

Ohne Vollgas

Die Anfrage von Unternehmen um einen Platz im Ecoparc de Daval ist aber viel grösser. «Land, vor allem Industrieland, ist Mangelware», betont Stéphane Revey, Leiter der Wirtschaftsförderung Sierre. Da ist man begehrt, wenn man 200 000 Quadratmeter zur Verfügung hat. Es habe zu Beginn geradezu eine Flut von Anfragen gegeben. Dass der Ecoparc trotzdem nicht schneller wächst, sei Absicht. «Wir haben unsere Auswahlkriterien, die erfüllt sein müssen, um Teil des Ecoparc zu werden», so Revey. Diese umfassen unter anderem obligatorische Grünflächen für alle Parzellen und faire Arbeitsbedingungen für die Angestellten. Empfohlen wird den Unternehmen auch die Nutzung von Solarenergie. Mit den Jahren soll auch die Energieeffizienz gesteigert werden; so soll etwa der Abfall der einen zur Energiequelle für andere werden.

Das Gelände liesse sich innerhalb von zwei Jahren mit Unternehmen füllen, die einigermassen das erwünschte Profil aufwiesen. Bringe man aber die Geduld auf und gebe sich zehn oder gar zwanzig Jahre, habe man dafür Firmen an Bord, die sich voll und ganz mit den Ideen identifizieren. «Wir wollen eine nachhaltige Entwicklung, sowohl ökonomisch als auch ökologisch», sagt Revey. Das beinhalte den Umgang mit Ressourcen und die Nutzung von Raum, Materie und Energie. «Und wir wollen weise mit dem Land umgehen», ergänzt er. So weiden rund um die Gebäude der Firma Eversys öfter Schafe. Regenwasser, abgeleitet von den Gebäuden, fliesst zurück in den natürlichen Kreislauf.

Unter der Sonne

Gerade aus dem Solarenergiebereich seien derzeit Unternehmen daran interessiert, sich im Ecoparc de Daval niederzulassen – «denn Sierre ist mit 2200 Sonnenstunden pro Jahr eine der sonnenreichsten Städte der Schweiz», betont Stéphane Revey – ein weiterer Pluspunkt für das Gelände. Schon zu Beginn wurde eine effiziente öffentliche Led-Beleuchtung mit Bewegungssensor und Fernverwaltung auf dem Gelände installiert. Alleebäume wurden gepflanzt. Die Firmen profitieren von gemeinsamen Abfallsystemen, dem Postdienst und einer Bauberatung. Weiter könnten Logistik- und Sicherheitssysteme geteilt werden, Kantinen und Kinderbetreuungsangebote.

Alles Dinge, die funktionieren können, weiss Benoît Charrière, Leiter Wissensgemeinschaften bei regiosuisse, der Netzwerkstelle für Regionalentwicklung und stellvertretender Leiter des Beratungsunternehmen dss+ Genf. Das Problem dabei sei jedoch oft die Abhängigkeit voneinander. Was, wenn eine Firma plötzlich aussteigt, die bisher die gemeinsame Kantine, die Solaranlage oder die Krippe auf ihrem Gelände geführt hat? «Miteinander zu arbeiten, birgt immer auch ein gewisses Risiko», so Charrière. Zudem falle es vielen Unternehmen schwer, eine allfällige Zusammenarbeit mit Nachbarn überhaupt anzugehen, betont er.

vlnr.: Mickaël Yonnet, David Pasquiet und Laura Blardone, David Chocolatier © regiosuisse

Fehlende Eigeninitiative

Oft wüssten Unternehmen gar nicht, was die Nachbarfirma tue, geschweige denn, welche Ressourcen sich gemeinsam nutzen liessen. Das sei verständlich, wenn man bereits mit wirtschaftlichen Herausforderungen kämpfe. Da könne man sich nicht auch noch darauf konzentrieren, wie man mit der Firma im Nachbargebäude zusammenarbeiten könnte. «Es ist dann viel einfacher, erst mal nur an sich zu denken.» Trotzdem bestehe in diesem Bereich extrem viel Potenzial. «Natürlich sind die Kosten, finanziell und personell, zu Beginn höher. Es zahlt sich jedoch langfristig aus – für die Region, die Umwelt, aber auch für die Unternehmen selbst. Es braucht aber immer auch Personen und Firmen, die vorausgehen», so Charrière.

Daher ist es wichtig, dass ein initialer Akteur solche Projekte anstösst – ein Verband, eine öffentliche Institution oder ein Privatunternehmen, das die Aufgabe übernimmt, die Zone zu beleben und Dienstleistungen für die Unternehmen zu betreiben. Revey startete vor zwei Jahren als Leiter der Wirtschaftsförderung von Sierre. «Nachdem ich mit jeder einzelnen Firma Gespräche geführt hatte, sah ich den Willen zur Zusammenarbeit bei allen. Aber niemand ergriff die Initiative», sagt er. Also machte die Gemeinde die ersten Schritte und übernahm eine unterstützende und koordinierende Rolle. Im vergangenen Jahr wurde ein Gewerbeverband gegründet, um diese Synergien zu fördern. Im Vordergrund stehen vorerst der Austausch und möglicherweise die Zusammenarbeit bei gemeinsamen Anfragen bei der öffentlichen Hand. Gemeinsame Investitionen wären ein weiterer Schritt.

Stéphane Revey und Emilie Saint-Yves, Aqua4D © regiosuisse

Vor zwei Jahren wurde ein Ingenieurbüro mit der Entwicklung eines nachhaltigen Mobilitätskonzepts beauftragt. Über die Auseinandersetzung mit der Mobilität kann ökologischer Fortschritt erzielt, aber auch die Kommunikation gefördert werden. Ein gemeinsamer, aber kleiner Parkplatz bringt die Unternehmen eher dazu, Car-Sharing zu unterstützen, sich gemeinsam für Busverbindungen einzusetzen oder für einen direkten Veloweg vom Stadtzentrum in den Industriepark.

«Schliessen sich Unternehmen zusammen und treten mit Hunderten oder gar Tausenden Angestellten gemeinsam auf, haben sie gegenüber anderen Anbietern oder der Politik grössere Chancen», versichert Benoît Charrière. Auf diesem Weg lassen sich gemeinsame ökologische Ziele auch erreichen.

sierre.ch/fr/ecoparc-daval-2042.html

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Haslibergs «Zweitheimische»

Jana Avanzini

Zweitwohnungen sind ein heisses Thema, auch in Hasliberg BE. Als die Zweitwohnungsinitiative 2012 angenommen wurde, musste auch das Dorf auf der Südseite des Brünigpasses über die Bücher. So entstand 2016 der Verein Netzwerk Hasliberg, der heute 250 Mitglieder zählt. Maja Bachmann, aufgewachsen in Hasliberg, ist Gründungsmitglied. Und sie ist das perfekte Mitglied für diesen Verein: als Touristikerin, Einheimische, die lange weg war, und jetzt als «Zweitheimische». Dieses Wort hört man in Hasliberg öfter, und es macht das Bestreben des Vereins deutlich: die Zweitwohnungsbesitzenden aus der anonymen Gästeschar herauszuheben. Die Zweitwohnungsbesitzenden, die den grösseren Teil des Vereins ausmachen, wollen sich im Ort engagieren.

Der Ort und seine Weiterentwicklung werden vom Verein sowohl finanziell als auch ideell unterstützt. Dazu gehören finan­zielle Beiträge an lokale Projekte, die durch die Mitgliederbeiträge und oft zusätzliche Spenden finanziert werden. «Wir konnten so den Freestyle-Park unterstützen, den Waldspielgarten, einen Abendbus, den Pumptrack, Projektwochen an der Schule, das Projekt ‹Generationenhaus Hasliberg› oder die Beschaffung von Drohnen für die Jäger, um Rehkitze zu retten», sagt Bachmann. Persönlich angepackt wird beim Unterhalt des Wanderweg­netzes, bei der Reinigung des Badesees oder von Skipisten.

«Zweitheimische» helfen bei der Reparatur einer Feuerstelle. Von links nach rechts: Beat Kiser, Jos Willi (Gemeinderat Hasliberg), Vreni Haefeli, Brigitta Kiser © regiosuisse

Gemeindepräsident Arnold Schild sieht im Netzwerk einen Glücksfall, von dessen Enga­gement die Gemeinde stark profitiere. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen in Hasliberg und Themen, bei denen keine Einigkeit herrscht. Doch das Netzwerk wächst weiter und damit auch das Bewusstsein dafür, einen Raum zu teilen und gemeinsam zu entwickeln. 

netzwerk-hasliberg.ch

regiosuisse.ch/projects-nrp

regiosuisse.ch/nrp

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Zweiter Frühling für die Kirschen

Jana Avanzini

Chriesibier, Chriesiwurst, Zuger Kirschtorte – Zuger Kirschen werden ganz schön geschickt vermarktet. Und die Bäume, an denen die Ernte reift, sehen auch noch hübsch aus, besonders wenn sie im Frühling strahlend weiss blühen. Trotzdem hatte der Kirschenanbau in der Zentralschweizer Landwirtschaft stark an Attraktivität verloren. Sowohl Wissen als auch Tradition schienen verloren zu gehen – aber auch die Hochstammbäume aus der Landschaft. Nun jedoch sieht es nach einer weiteren Blütezeit aus – dank des Projekts zur regionalen Entwicklung (PRE) «Zuger Rigi Chriesi».

200 Jahre nach Christus sollen in Zug schon Kirschbäume gestanden haben. Und rund um die Rigi wurde im 14. Jahrhundert bereits fleissig angebaut, nicht nur der Früchte, sondern auch des Holzes wegen. Heute kennt man im Zusammenhang mit Kirschen in der Zentralschweiz vor allem die Zuger Kirschtorte. Sie wurde 1915 vom Konditor Heinrich Höhn entwickelt, später wurde sie Kult und 2008 ins Inventar «Kulinarisches Erbe der Schweiz» aufgenommen. Doch bereits vor der süssen Verwendung ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Kirschwasser aus der Region rund um die Rigi zu einem beliebten Exportartikel. Zu erwähnen sind auch der 1627 erstmals belegte Kirschenmarkt in Zug und der «Zuger Chriesisturm», ein Anlass, bei dem Männer und Kinder mit langen Leitern und Frauen mit sogenannten Hutten durch die Zuger Altstadt rennen.

Rettung einer Tradition

Das Jahr 1951 bildete – bezüglich des Baumbestandes – den Höhepunkt für die Zuger Kirschenkultur. Ganze 112 000 Kirschbäume standen damals im Raum Zug/Rigi. Doch bald darauf setzte ein starker Rückgang ein. Veränderungen in der Landwirtschaft und tiefe Preise für die Früchte sorgten dafür, dass viele Bauern ihre Kirschen nicht mehr verkaufen konnten und die Bäume sich selbst überliessen. Fällaktionen der eidgenössischen Alkoholverwaltung in den 1950er-Jahren und Rodungsprämien bis in die 1980er-Jahre beschleunigten den Strukturwandel im Obstbau. Immer mehr Land wurde auch umgezont; aus «Chriesi-Bergen» wurden Strassen und Überbauungen.

Der Tiefstand wurde um die Jahrtausendwende mit rund 44 000 Bäumen im Gebiet erreicht. Damit die charakteristischen Hochstammbäume nicht ganz aus dem einheimischen Landschaftsbild verschwinden und traditionelle Produkte weiterhin mit regionalen Früchten produziert werden können, musste investiert werden. Es brauchte wieder attraktive Bedingungen für Bäuerinnen und Bauern, die Landschaft in der gefragten Art und Weise zu bewirtschaften.

Genau hier setzt die Zuger Rigi Chriesi AG an. Dass die Kirschen in Zug und rund um die Rigi einen zweiten Frühling erleben, ist ihrer Arbeit und hauptsächlich dem Projekt zur regionalen Entwicklung (PRE) «Zuger Rigi Chriesi» zu verdanken. Mit dem PRE-Programm fördert das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) die Wertschöpfung in der Landwirtschaft und die regionale Zusammenarbeit. In Kombination mit ökonomischen Zielen werden auch ökologische, soziale oder kulturelle – also auch landschaftliche – Anliegen verfolgt.

© regiosuisse

Mehr Bäume …

Durch die Förderung des Hochstammbaumes profitiere die ganze Region auf mehreren Ebenen, betont die Geschäftsführerin der Zuger Rigi Chriesi AG, Michela D’Onofrio: «Es ist eine Aufwertung des Landschaftsbildes, eine Erhaltung von Tradition, eine Förderung der Biodiversität und landwirtschaftlicher Perspektiven.»

Mehr als 2500 Hochstammkirschbäume wurden während der Projektzeit von 2011 bis 2018 im Kanton Zug sowie in neun Schwyzer und sieben Luzerner Gemeinden gepflanzt – nicht nur durch die Zuger Rigi Chriesi AG, sondern auch durch die IG Zuger Chriesi. Diese hat sich ebenfalls der Wiederbelebung des Kirschenanbaus verschrieben, jedoch beschränkt auf den Kanton Zug. Bäume zu pflanzen, sei jedoch der kleinste Aufwand, so D’Onofrio, viel aufwendiger und wichtiger sei es, den Anbau auf lange Frist attraktiv zu machen.

Denn mit dem Anbau allein ist es nicht getan. Die Arbeit besteht vor allem auch darin, über professionelles Marketing Absatzkanäle für grössere Mengen zu erschliessen, im Detailhandel oder auch in der Gastronomie. Die Kirschen sollen bei Grossverteilern und als Industriekirschen in den Verkauf kommen, wo derzeit billiger produzierte Kirschen aus anderen Ländern dominieren. Und es geht ebenfalls darum, den Austausch von Wissen in regionalen und überregionalen Netzwerken zu fördern – bezüglich der Bäume, ihrer Früchte, ihrer Schädlinge oder auch der Verarbeitung.

Zehn Jahre gibt es die Zuger Rigi Chriesi AG nun, die zum Vorzeigeprojekt der PRE avancierte. Nach vier Jahren wurde das PRE um weitere drei verlängert. Nun ist es von Seiten des Bundes offiziell abgeschlossen und damit auch die Mitfinanzierung durch die öffentliche Hand. An die Projektkosten von rund 4 Millionen Franken leistete der Bund rund eine Million. Doch die Arbeit geht weiter. D’Onofrio führt zusammen mit einer Kollegin die Vermarktung und Vernetzung weiter, finanziert durch den Umsatz der eigenen Produkte.

Chumm mir wei ga Chrieseli gwünne
Weiss am-n-e Ort gar grüüseli viil

Roti, schwarzi, gibeli-gälbi
Zwöi bis drü an einem Stiil.

Falleri, fallera, falleri, fallera
Zwöi bis drü an einem Stiil.

Schweizer Kinderlied

Zum Anhören: O-Ton «Chumm, mir wei go Chrieseli günne»

… viel Arbeit

Auf dem Chriesihof von Peter Meier in Rotkreuz beginnen die Bäume Mitte März schon zu blühen. Frühblüher sind sie und damit wichtiges Bienenfutter nach dem Winter. Mit schnellem Schritt geht Meier zwischen den Hochstammbäumen voraus auf die über hundert neuen Bäume zu, die er angepflanzt hat. Sie werfen noch wenig Ertrag ab, doch bald werden sie den alten Bäumen Konkurrenz machen, die noch von Meiers Vater bewirtschaftet wurden.

Neben Kälbern und Weihnachtsbäumen sind die mittlerweile rund 450 Hochstammbäume ein Hauptpfeiler seiner Arbeit auf dem Hof. Einer Arbeit, die sehr viel aufwendiger ist, als sich Laien vorstellen können. Denn die Bäume müssen geschnitten werden und gespritzt – mehrfach mit Kalk und nochmals mit Kupfer und dann mit Pestiziden gegen die Kirschenfliege und die neue, noch aggressivere Kirschessigfliege. Trotzdem kann es passieren, dass die Kirschen von Fäulnis befallen werden und ein Grossteil der Ernte unbrauchbar wird oder Mäuse die Wurzeln der Bäume fressen, wie es Peter Meier gerade erst erlebte.

Peter Meier, Rotkreuz (ZG), beim Mulchen, das im Kampf gegen die Kirschessigfliege hilft © regiosuisse

Stolz und Geld

Gegen 7000 Schweizer Franken muss pro Baum an Arbeit und Material aufgewendet werden, bis dieser eine richtige Ernte abwirft, rechnet Michela D’Onofrio vor. Sieben Jahre dauert es, bis ein Baum in voller Blüte steht, dafür wirft er danach jeden Herbst um die 100 Kilo Früchte ab.

Für Peter Meier steckt mehr hinter dieser Arbeit als der landwirtschaftliche Ertrag. Die Tradition und die Landschaft liegen ihm am Herzen – wenn die Bäume im Frühling blühen oder im Herbst orange und rot leuchten. «Auch wenn ich die Produkte im Laden sehe, bin ich stolz. Doch am Ende, muss man auch sagen, zählt auch das Portemonnaie. Das ist entscheidend bei der Frage, ob man weiter auf ein Produkt setzen kann.» Und das kann er nun. Denn die Produzentenpreise haben sich in den letzten zehn Jahren beinahe verdoppelt. Ein Verdienst des PRE und des regionalen Engagements. So kann Peter Meier wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen die Kirschen heute kostendeckend produzieren und am Oberen Bachtalen noch mehr Bäume pflanzen.

zuger-rigi-chriesi.ch

blw.admin.ch/pre

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