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Auf kulinarischen Pfaden durch das Gotthardgebiet

Eine Wanderung, die alle Sinne anspricht und Bewegung in den Bergen mit regionaler Küche verbindet. Das Projekt Genusspfade San Gottardo vernetzt lokale Anbieter und Anbieterinnen entlang thematischer Wanderwege: Gäste probieren Spezialitäten direkt bei den Produzenten, hören ihre Geschichten und erleben so die Kultur des Gotthardraumes aus erster Hand. Möglich macht das ein Projekt, das Gastronomie, Tourismus und Landwirtschaft vor Ort zusammenbringt – unterstützt von der Neuen Regionalpolitik (NRP).

Von der Idee zur Wanderung

Die Idee entstand während der Corona-Pandemie. Als grosse Events, die er zuvor veranstaltete, wegfielen, suchte Projektträger Niklaus Niederhauser nach einer Alternative: Erlebnisse in kleinerem Rahmen, flexibel buchbar und dennoch nah an den Menschen. Über ein Inserat stiess er dabei auf das Programm San Gottardo, welches gemeinsam mit Bund und den Kantonen Uri, Graubünden und Tessin die Entwicklung rund um den Gotthard fördert. Es setzt dabei auf nachhaltige Wertschöpfung durch Tourismus, die Nutzung lokaler Ressourcen und innovative Kooperationen. Die Vision dahinter: den Gotthardraum zu einem attraktiven Lebens-, Arbeits- und Tourismusstandort machen, mit gesicherten und neuen Arbeitsplätzen sowie verbesserter Wettbewerbsfähigkeit. 

Wie Anja Beivi, Projektleiterin vom Programm San Gottardo, erklärt, wurde das Projekt der Genusspfade in ihrem Tourismusinkubator entwickelt. Dieser zeigt, wie innovative touristische Ideen aus dem Gotthardraum initiiert, getestet und umgesetzt werden können, um die Innovationskraft der Region gezielt zu fördern. Die Genusspfade San Gottardo wurden als eines der besten Projekte prämiert. Beivi unterstreicht auch, wie zentral die Förderung der lokalen Anbieter und Anbieterinnen für die Weiterentwicklung der Region ist.

So entstand das Konzept einer kulinarischen Wanderung mit mehreren Stationen: die Genusspfade San Gottardo. Mittlerweile existieren drei solcher Pfade in der Region: der Bündner Bierpfad, der Monsteiner Bierpfad sowie der Surselva Sagengenusspfad. Die meisten hiervon sind aktuell vor allem in den Sommermonaten sowie im Frühherbst aktiv und buchbar. Ein Pfad umfasst vier bis fünf Stationen mit einer Laufzeit von etwa zwei Stunden, die Zeit fürs Eintauchen in die Natur lässt. Die Gäste wandern von Hof zu Hof, von Restaurant zu Restaurant, degustieren etwa Bündner Bier oder Capuns und erfahren dabei, wer hinter den Produkten steht. Das Besondere an den Pfaden: Sie verbinden Bestehendes zu einem neuen Erlebnis. Die Tour lässt sich kurzfristig und digital buchen. Erlebbar sind die Pfadangebote auch klassisch auf Papier, um das Panorama vollends zu geniessen.

Für die Gastgeber, wie zum Beispiel die Geschäftsführerin des Hotel Surselva, Beatrice Hug, bedeutet dieses Konzept: kein Risiko, dafür direkter Nutzen. Zu Beginn war es oft ein Hindernis, so berichtet Niederhauser, dass Gastronomen befürchteten, vorab zahlen zu müssen – eine Sorge, die ihnen jedoch schnell genommen werden konnte. Wenn Gäste buchen, wird ein Umsatz generiert, wenn sie wiederum ausbleiben, machen sie keinen Verlust. Rund 80 bis 90 Prozent der Wertschöpfung verbleiben in der Region. «Die Gäste erleben echte Begegnungen – und die Betriebe gewinnen Umsatz und Sichtbarkeit», so Niederhauser. Das Projektteam testet die Routen selbst und sucht gezielt Betriebe, die mitmachen. Oft kommen Anbieter auch von sich aus auf das Team zu. Er koordiniert den Ablauf und begleitet die Umsetzung vor Ort. «Entscheidend ist das Vertrauen der Menschen in der Region. Nur so entsteht ein Netzwerk, das trägt», so Niederhauser.

NRP als Motor des Projekts

Die NRP war von Beginn an Türöffner und Motor des Projekts. Dessen Förderung ermöglichte unter anderem die Eröffnung der Pfade, die Weiterentwicklung der Website sowie die Erweiterung der Angebote in mehrere Sprachen. Aktuell sind die Angebote auf Deutsch und Italienisch buchbar – zu einem späteren Zeitpunkt soll auch Englisch und Rätoromanisch hinzukommen, das im Bündnerland einen besonderen symbolischen Charakter hat. «Die Mehrsprachigkeit im Gotthardraum ist Teil des Kulturerbes. Mit ihr öffnen wir die Pfade für ein breiteres Publikum», erklärt Niederhauser. Dabei schafft die NRP-Förderung Strukturen, sorgt für Planungssicherheit und verleiht dem Projekt Reichweite.

Die Genusspfade sind mehr als ein Ausflugsangebot. Sie stärken Gastronomie, Hotellerie und Landwirtschaft, bringen Gäste und Einheimische zusammen und machen regionale Kultur sichtbar. Mittlerweile ziehen sie auch immer mehr Besuchende aus dem Ausland an.

Der Blick in die Zukunft

Geplant ist, weitere Pfade zu eröffnen, etwa im Tessin und an Ortschaften, die sich abseits von Tourismus-Hotspots befinden und diese ganzjährig anzubieten – auch im Winter. Die Beteiligten sind sich einig: Die Genusspfade San Gottardo zeigen, wie Kulinarik und Tourismus gemeinsam eine Region lebendig machen und bereichern.

Mehr über die NRP und wie sie regionale Projekte unterstützt: 

Bildquelle: Surselva Tourismus/ Ida Sgier

Wurste_regiosuisse-Konferenz 2025

Der Thurgau zeigt die Vielfalt der regionalen Wertschöpfung 

An der diesjährigen regiosuisse-Konferenz war der Gastgeberkanton Thurgau mit exzellenten Beispielen regionaler Wertschöpfung präsent. Lassen Sie sich inspirieren! 

Bereits mit der Ankunft in der Kartause Ittingen tauchten die Teilnehmenden ins Thema der diesjährigen regiosuisse Konferenz ein: «Das Potential regionaler Wertschöpfung nachhaltig gestalten». Die Kartause ist ein Baudenkmal von nationaler Bedeutung, liegt idyllisch über dem Thurtal und war als ehemaliges Kloster schon seit Jahrhunderten an der regionalen Wertschöpfung beteiligt. Es wurde dank des Weinbaus reich. Heute ist es für die Stiftung Kartause Ittingen deutlich anspruchsvoller, die notwendigen Mittel für die Betriebe und den Unterhalt der historischen Klosteranlage zu erwirtschaften. Die Kartause besteht nicht nur aus einem Seminarzentrum mit Restaurant, sondern auch aus einem Gutshof, zwei Museen, einer Institution für betreutes Wohnen und Arbeiten sowie einem Zentrum für Spiritualität. Die Stiftung setzt bewusst auf Selbstversorgung und lokale Nachhaltigkeit. So liegt der Selbstversorgungsgrad des Restaurants bei sage und schreibe 57 Prozent. 

Kartause Ittigen
Kartause Ittigen

Von der internen Wertschöpfung zur regionalen Wertschöpfungskette

Mark Ziegler, Procurator der Stiftung hielt in seiner Begrüssungsrede fest: «Nachhaltigkeit und Selbstversorgung sind nicht günstig. Deshalb setzen wir neu auf Zusammenarbeit in der ganzen Region, zum Beispiel beim Keltern oder bei der Schweinezucht. Zusammen mit regionalen Partnern können wir die Wertschöpfung steigern.» Das Credo der Kartause verändert sich gerade: Von der internen Wertschöpfung hin zur Stärkung von regionalen Wertschöpfungsketten. Dank Kooperationen mit den passenden regionalen Partnern können Kosten reduziert werden, ohne dass Kompromisse bei der Qualität oder der Nachhaltigkeit eingegangen werden müssen. 

Standortattraktivität und Tourismus in Frauenfeld

Die Hauptstadt des Thurgaus war mit zwei Beispielen an der regiosuisse-Konferenz vertreten, bei denen es um die Standortqualität ging: Einerseits wurde das Street-Art-Festival Frauenfeld als Motor regionaler Wertschöpfung vorgestellt. Anderseits rückte die Stadtkaserne Frauenfeld in den Fokus. Die ehemals vom Militär genutzten Gebäude öffnen sich für die Bevölkerung, auf dem Areal wird gemeinsam Neues geschaffen. Dafür wurde eine partizipative Entwicklung angestossen. Die Neue Regionalpolitik von Bund und Kanton unterstützte das Projekt mit einer Machbarkeitsstudie für einen künftigen «Markt Thurgau», der in der Stadtkaserne ein innovatives Schaufenster für Thurgauer Produkte, Dienstleistungen und Ideen werden soll. Mit der Umsetzung des Markt Thurgau soll die Stadtkaserne über den Kanton und die Stadt hinaus Publikum anziehen. Damit wird sie zu einem Treffpunkt mit überregionaler Ausstrahlung. 

Bei beiden Projekten zeigte sich: Innovative Projekte, die mit und für die Bevölkerung entwickelt werden, tragen zur Attraktivität eines Standorts und zur regionalen Wertschöpfung bei. 

Natürlich wirksam am Bodensee

An Konferenz wurde ein weiteres innovatives Projekt präsentiert: die Schaffung eines Schweizer Branchenclusters für Phytomedizin am Bodensee. Das «PhytoValley» bringt die wirtschaftliche Relevanz der hiesigen Naturmedizin-Branche zum Ausdruck. Beteiligt sind Firmen wie A. Vogel, Zeller, Rausch oder hepart. Der Cluster fördert die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen den Unternehmen und Organisationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Phytomedizin sowie mit der Politik, der Verwaltung und der Bevölkerung.

Sein Fokus liegt primär auf zwei Bereichen: Erstens auf der Gewinnung und Ausbildung von Fachkräften und zweitens auf der Stärkung der Attraktivität der Region durch eine nachhaltige Entwicklung der Naturmittelproduktion mittels innovativer Technologien. 

Schonholzer
Walter Schönholzer, Regierungsrat des Kantons Thurgau

Für Walter Schönholzer, Regierungsrat des Kantons Thurgau, ist der Aufbau des «PhytoValley» ein ausgezeichnetes Beispiel für die positive Wirkung der Neuen Regionalpolitik (NRP). 

«Gerade wenn die Mittel von Kanton und Bund knapper werden, ist die Fokussierung auf gewisse Kernthemen in unserem eher strukturschwachen Kanton sehr wichtig. Dank der NRP-Gelder können wir zum Beispiel den Schweizer Branchencluster «PhytoValley» umsetzen und die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit fördern.»  

Die regiosuisse-Konferenz ist nationaler Treffpunkt für alle, die in der Regionalentwicklung tätig sind. Die im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) organisierte Konferenz widmet sich jeweils einem aktuellen Thema der Regionalentwicklung. 2025 fand die Konferenz in der Kartause Ittingen statt, im Mittelpunkt stand das Potenzial regionaler Wertschöpfung. 

Mehr zur Konferenz

Quelle Fotos: © Timo Kellenberger 

Podcast: «Programm graubünden nachhaltig»

Das NRP-Projekt «Programm graubünden nachhaltig» hat das Ziel, die Regionenmarke graubünden mit ihrem Netzwerk nachhaltig auszurichten. Rund 20 Partnerinnen und Partner aus unterschiedlichen Branchen tauschen sich im Programm aus, um die Region nachhaltig weiterzuentwickeln. Wie das geschehen soll und wie die Zusammenarbeit zwischen den Partnerinnen und Partner aussieht, davon berichten unsere Podcast-Gäste Tanja Jacobson, Marc Kollegger und Michael Caflisch.

Graubünden als nachhaltige Region etablieren

«Die Marke graubünden versteht sich als Akteurin des Wandels. Das NRP-Projekt «Programm graubünden nachhaltig» schafft die Rahmenbedingungen, sodass eine gemeinsame Entwicklung der Partnerinnen und Partner der Marke graubünden möglich wird», wie Tanja Jacobson, Programmleiterin «graubünden nachhaltig», erzählt. Das Ziel ist es, Graubünden in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – also wirtschaftlich, ökologisch und sozial – weiterzuentwickeln. Dadurch werden die Partnerinnen und Partner im Kanton Graubünden zukunftsfähig und können gleichzeitig ihre Nachhaltigkeitsperformances verbessern.

Tanja Jacobson und ihr Team sorgen dafür, dass Partnerinnen und Partner aus den verschiedensten Branchen zusammenkommen, den Austausch pflegen, neue Ideen und Lösungen entwickeln sowie Innovationen zum Thema Nachhaltigkeit vorantreiben. Die «Werkstatt» ist ein solches Format, welches diesen Austausch fördert.

«Der Beitrag der Marke graubünden ist die Führung, Organisation und Moderation des Nachhaltigkeitsprozesses im graubünden-Netzwerk.»

Marke graubünden 

Regionaler Apfelsaft statt importiertem Orangensaft

Die Partnerinnen und Partner der Marke graubünden leisten aktiv einen Beitrag zur Zukunft des gemeinsamen Lebens- und Wirtschaftsraums und profitieren gleichzeitig vom Netzwerk. Ein Beispiel dafür sind die Psychiatrischen Dienste Graubünden (PDGR): Inspiriert durch den Austausch im Netzwerk serviert die PDGR deshalb an ihren Apéros neu regionalen Apfelsaft statt importierten Orangensaft. «Schon kleine Massnahmen können Wirkung entfalten», sagt Marc Kollegger – CEO der PDGR. «Der Apfelsaft kam bei den Apéro-Gästen sehr gut an – besonders, wenn erklärt wird, dass es sich um eine nachhaltigere Wahl handelt.» Daneben diskutiert die PDGR auch grössere Nachhaltigkeitsthemen:

  • Wie kann die Biodiversität auf den Klinikarealen Waldhaus und Cazis gefördert werden?
  • Wie kann ein zukunftsweisendes Mobilitätskonzept für einen 24-Stunden-Betrieb aussehen, das den öffentlichen wie auch den Individualverkehr für die Klinikmitarbeitenden miteinschliesst?

Als grosser Arbeitgeber in der Region trägt die PDGR Verantwortung – gegenüber den Patientinnen und Patienten ebenso wie gegenüber den Mitarbeitenden. Nachhaltigkeit ist deshalb längst zu einem strategischen Thema geworden. «Die PDGR hat Nachholbedarf in Bezug auf die Nachhaltigkeit», sagt Marc Kollegger. Die Teilnahme am NRP-Projekt «Programm graubünden nachhaltig» soll helfen, konkrete Umsetzungsmassnahmen zu entwickeln.

Ein Nachhaltigkeitsprogramm mit Zukunft

Das «Programm graubünden nachhaltig» ist auf drei Jahre ausgelegt und finanziert. Voraussetzung für eine Mitfinanzierung ist die aktive Beteiligung der Partnerinnen und Partner – sowohl finanziell als auch in Form eigener Mitarbeit. Im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP) fördert der Kanton Graubünden dieses Programm zusammen mit dem Bund mit einem à fonds perdu-Beitrag von je einem Viertel der Gesamtkosten. Michael Caflisch, Leiter Tourismusentwicklung des Kantons Graubündens hält abschliessend fest: «Überzeugend am NRP-Programm ist, dass damit die Stärkung des Wirtschaftsstandort Graubünden gefördert wird und eine Vielzahl an Partnerinnen und Partner aus unterschiedlichen Bereichen einen Mehrwert für Graubünden erzielen.»

Marke graubünden

Die Marke graubünden wurde im Jahr 2003 lanciert. Damals wurde eine branchenübergreifende Regionenmarke zur nachhaltigen Stärkung des Wirtschaftsstandorts Graubünden von der Regierung gefordert.

Die Marke graubünden hat zum Ziel, die Kernwerte der Region – wahr, wohltuend und weitsichtig – bei den Bewohnenden, Unternehmen wie auch bei den Gästen zu vermitteln und zu stärken. Die Marke soll dazu beitragen, Graubünden als attraktiven Lebens-, Arbeits- und Erholungsraum zu positionieren.

Das NRP-Projekt «Programm graubünden nachhaltig» ist eines von vielen Arbeitsinstrumenten der Marke graubünden, um dieses Ziel zu erreichen.

Weitere Informationen

Regionale Strategien für resiliente und inklusive Räume

Für eine kohärente Raumentwicklung arbeiten lokale Akteure über Gemeindegrenzen hinweg zusammen. Indem sie Attraktivität, öffentliche Dienstleistungen und Nachhaltigkeit miteinander verbinden, fördern sie mit regionalen Strategien widerstandsfähigere und inklusivere Räume.

Öffentliche Dienstleistungen und Raumplanung: Kritische Grössen in funktionalen Räumen finden

In seinem jüngsten Bericht von 2024 stellt der Rat für Raumordnung (ROR) fest, dass periphere Gebiete im Vergleich zu Zentren durch das Fehlen einer kritischen Masse an Bevölkerung und Institutionen gekennzeichnet sind. Dies schwächt das Potenzial der für eine nachhaltige Entwicklung erforderlichen dynamischen Zusammenarbeit. Während grosse Agglomerationen auf ihre kritische Masse zurückgreifen können, um finanzielle und personelle Ressourcen (qualifizierte und ausreichend verfügbare Fachkräfte) zu mobilisieren, sind ländliche Räume und Bergregionen mit einem Ressourcenmangel konfrontiert.

Früher prägte die Wirtschaft den Raum – heute prägt der Raum die Wirtschaft

Das Raumplanungsgesetz (RPG) schreibt eine regionale Zusammenarbeit bei der Bewirtschaftung der Bauzonen vor. Dies wirkt sich wirtschaftlich aus, insbesondere auf ländliche Gebiete und Bergregionen. Diese Regionen, die historisch durch Zersiedlung geprägt waren, müssen nun auf verdichtende Entwicklungen setzen, um neue Einwohnerinnen und Einwohner anzuziehen. Viele Regionen setzen auf Lebensqualität als Standortfaktor – anstelle von Flächenexpansion. Pendelbewegungen und Home Office bieten hier Chancen. Neue Bewohnerinnen und Bewohner arbeiten auch vor Ort – z. B. in der Industrie – und stellen somit ein Fachkräftepotenzial dar. Um Talente anzuziehen, ist Lebensqualität zu einem entscheidenden Argument geworden.
Um Einwohner zu gewinnen und mobilen Konsumentinnen und Konsumenten Dienstleistungen bereitzustellen, braucht es eine strategische, sektorenübergreifende Vision auf regionaler Ebene. Diese Visionen müssen auch landwirtschaftliche Fragestellungen einbeziehen, denn wo der territoriale Mehrwert zur Wettbewerbsfähigkeit beiträgt, kann ein starkes Alleinstellungsmerkmal (USP) entstehen. Das wiederum erfordert eine koordinierte Zusammenarbeit.

Die Region als Koordinationsebene

Über wirtschaftliche Fragen hinaus – auch wenn sie durch Lebensqualität mitbedingt sein können – sind auch Themen wie Biodiversität, Landschaftspflege, Kulturerbe und Kultur zunehmend regionalisiert worden.
Diese Regionalisierung berührt verschiedenste Themen, folgt unterschiedlichen räumlichen Abgrenzungen und wird in unterschiedlichen Governance-Formen umgesetzt. Damit trägt sie zur Überwindung des kommunalen Denkrahmens bei. Die Einführung einer zusätzlichen Bezugsebene zur Gemeindeebene und der Alltag im Spannungsfeld dazwischen gelingen nicht ohne Schwierigkeiten: Diese Entwicklungen verlangen von allen Beteiligten ein Umdenken, ein Verlassen gewohnter Denkmuster – und letztlich möglicherweise auch eine Neuausrichtung ihrer Identität. Es geht auch darum, Synergien zwischen urban geprägten Zentrumsgemeinden und ländlich geprägten Randgemeinden zu entwickeln. Regionen sind heute allgegenwärtig – auch wenn sie institutionell noch nicht überall fest verankert sind.

Regionale Strategien: Erarbeiten und Umsetzen

Gemeinden und Regionen entwickeln verschiedenste sektorale Strategien (z. B. in den Bereichen Wirtschaft, Tourismus, Umwelt), die teils auch in umfassende strategische Visionen eingebettet sind – etwa in die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030. Dies wirft Fragen nach der Umsetzung und der Koordination dieser unterschiedlichen Ansätze auf.

Das Programm Agglomerationsverkehr hat wesentlich zur interkommunalen und sektorübergreifenden Zusammenarbeit (insbesondere im Bereich Verkehr und Siedlungsentwicklung) in städtischen Räumen beigetragen. Der Bund hat hier eine Anreizfunktion übernommen und so Kooperationen auf funktionaler Ebene gefördert. Auch wenn diese formell auf Mobilität und Raumplanung fokussieren, reichen ihre Wirkungen mittlerweile weit über diese Themen hinaus und sind in der Praxis verankert.

Über die Neue Regionalpolitik (NRP) können Regionen Unterstützung für die Entwicklung wirtschaftsorientierter Strategien erhalten. Im Sinne einer kohärenten Raumentwicklung wurden durch Begleitmassnahmen des Bundes einzelne strategisch ausgerichtete Projekte gefördert, die über rein wirtschaftliche Fragestellungen hinausgehen (siehe Beispiele in den Infoboxen).

Im Rahmen des Aktionsplans zur Umsetzung der Agglomerationspolitik sowie der Politik für ländliche Räume und Berggebiete 2024–2031 soll das Programm «Entwicklungsprozess ländlicher Raum (ELR)» des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) weiterentwickelt werden, um noch umfassender zu werden – auch unter Mitwirkung des SECO. Dabei geht es etwa um die Integration urbaner Herausforderungen in ländlichen Zentren sowie die Entwicklung von Synergien zwischen diesen Zentren und den umliegenden ländlichen Räumen.
Ein weiterer Fokus liegt auf der Unterstützung der Regionen bei der Mittelbeschaffung (z. B. über kantonale oder nationale sektorale Politiken) zur Umsetzung von Projekten, die im Rahmen von Strategien erarbeitet wurden, sowie auf der besseren Koordination zwischen diesen Strategien.

Erkenntnisse aus dem Themenbereich «Integrale Entwicklungsstrategien fördern» der Modellvorhaben für eine nachhaltige Raumentwicklung

Zwischen 2020 und 2024 wurden fünf Modellvorhaben entwickelt, die auf integrierte Entwicklungsstrategien abzielten. Sie verknüpften einen intersektoralen Ansatz mit einer Koordination zwischen institutionellen Ebenen und förderten so den politischen Diskurs und einen Paradigmenwechsel.

An die lokalen Gegebenheiten angepasst, legten einige Projekte den Fokus auf institutionelle Aspekte, andere auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Vorhaben zeigten, dass die kantonale Governance eine zentrale Rolle in diesen strategischen Prozessen einnehmen muss. Gleichzeitig wurde der Mehrwert von Synergien zwischen Institutionen und lokalen Akteuren deutlich – zur Stärkung der Regionen und zur Strukturierung eines wirkungsvollen Dialogs.

Projekt RURALPLAN (ESPON-Programm, gezielte Analyse)

Das 2024 durchgeführte Projekt RURALPLAN untersuchte Entwicklungsstrategien für ländliche Gebiete ohne Bevölkerungswachstum. In Albula wurden partizipative Workshops organisiert, in denen fünf Prototypen zur Verbesserung von Wohnen, Beschäftigung und Dienstleistungen entwickelt wurden. Co-Design-Workshops wurden abgehalten, um Lösungen zu erarbeiten. Zwei weitere Regionen, in Schweden und Norwegen, verfolgten denselben Ansatz.

Die Ergebnisse des Projekts wurden in die regionale Entwicklungsstrategie von Albula integriert. Die gewonnenen Erkenntnisse fliessen auch in nationale Initiativen zur ländlichen Entwicklung ein.

Ideen entwickelt – für eine attraktive Bergregion Albula

Viele ländliche Regionen suchen nach Wegen, wie sie ihre Zukunft gestalten können. Es geht oft um Themen wie Abwanderung, Arbeitsmöglichkeiten, Gesundheits- und Güterversorgung. Wie sollen diese Bereiche nachhaltig und zukunftsgerichtet angegangen werden? Die Region Albula mit rund 8000 Einwohnerinnen und Einwohnern hat diese Fragen in drei Workshops öffentlich diskutiert. Der Geschäftsführer und Regionalentwickler Mirko Pianta erzählt, wie er dieses partizipative Vorgehen erlebt hat und was daraus entsteht.

«Die an den Diskussionen beteiligten brachten ein breites Spektrum von Meinungen und Ideen ein.»

Geschäftsführer und Regionalentwickler Mirko Pianta

regiosuisse: Die Regionalentwicklung ist ihr Fachgebiet. Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich in der Region Albula konfrontiert?

Mirko Pianta: Das Gebiet liegt im Zentrum Graubündes, unweit der Hauptstadt Chur und der grossen touristischen Destinationen Oberengadin und Davos. Schon das alleine – und dass deshalb rund zwei Millionen Fahrzeuge pro Jahr die Region durchqueren – ist eine Herausforderung. Es wäre wünschenswert, wenn wir einen Bruchteil davon in der Region behalten und wirtschaftlich davon profitieren könnten. Innovation ist deshalb auch hier gefragt. Was an der Region Albula besonders interessant ist, ist die Vielfalt der Kulturen, da hier drei Subregionen mit unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Traditionen zusammenkommen. Es handelt sich dabei um die Subregionen Surses, in der man hauptsächlich rätoromanisch spricht sowie die Regionen Albulatal und Lenzerheide mit Deutsch und Rätoromanisch. Aufgrund der teils grossen Distanzen sind sie mehrheitlich wirtschaftlich autonom. Trotzdem einen gemeinsamen Nenner zu finden, der den regionalen Interessen gerecht wird und die individuellen Bedürfnisse und Autonomie fördert, ist ein spannender Prozess.

In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete (SAB) haben Sie kürzlich im Rahmen eines europäischen Projekts zu einem zweiteiligen partizipativen Workshop eingeladen. Es ging um Ideen, wie die Standortqualität in der Region noch verbessert werden kann. Zwanzig Personen diskutierten dazu. Was waren die «brennendsten Themen»?  

Das bewegendste Thema war der fehlende Wohnraum, der mitunter auch ein Grund ist, dass die Bevölkerungszahlen rückläufig sind. Das zweite war die Gesundheitsversorgung und die damit verbundene Befürchtung, dass beispielsweise Physiotherapeuten, Psychologinnen oder andere Spezialisten in wirtschaftsstärkere Regionen wegziehen.

Welche Anliegen waren für Sie neu?

Ein Bedürfnis, das mir vorher nicht bekannt war, ist der Wunsch nach einer zentralen Informationsplattform. Die Idee ist, dass alle Veranstaltungen der Region, Angebote und Kurse aller Art oder touristische Angebote vereint zu finden sind. Eine solche Plattform wäre sowohl ein Gewinn für Einheimische als auch für Gäste. Ausserdem kam der Wunsch nach kreativen Begegnungsorten auf oder die Idee, einen Markt für den Verkauf regionaler Produkte zu veranstalten.

Was war Ihres Erachtens der grösste Gewinn dieses partizipativen Vorgehens?

Die Beteiligung der Menschen an diesen Diskussionen und die Ideen, die zusammengetragen wurden. Denn sie brachten ein breites Spektrum an Meinungen ein. Besonders daran war, dass wir zusätzlich zu den Einheimischen auch Zweitheimische und Personen, die in die Region pendeln, eingeladen haben, um mitzudiskutieren. Sie brachten eine gewisse Aussensicht ein und wir konnten auch auf ihre Anliegen eingehen.

Was hingegen konnte mit diesem Vorgehen nicht erreicht werden?

Gewisse Anliegen sind sehr komplex, es geht da auch um Rechtliches und um Politik. Gerade im Bereich Wohnungssituation:  Wir haben dazu Ideen ausgetauscht, z.B. über die Möglichkeit, Wohnbaugenossenschaften zu gründen. Doch gewisse gesetzliche Grundlagen schränken unseren Handlungsspielraum ein. Es gibt beispielsweise die gesetzliche Vorgabe, dass eine Gemeinde bei einer kontinuierlichen Abwanderung Bauparzellen reduzieren muss. Wie kann so neuer Wohnraum in einer Abwanderungsregion entstehen?

Gibt es Ideen oder Vorschläge aus den Diskussionsrunden, die trotzdem und schon jetzt umgesetzt werden können?

Ja, wir arbeiten bereits dran. Im Herbst 2025 werden wir beispielsweise die erste Berufsschau veranstalten, um die Arbeitgeberattraktivität zu fördern. Diese zeigt angehenden Lehrlingen auf, welche Ausbildungen sie in der Region machen können. So erreichen wir, dass Junge in der Region bleiben oder gar Jugendliche von Zweitwohnungsbesitzern sich entscheiden, hier eine Lehre zu machen. Mit einer Impulsveranstaltung für Arbeitgeber wollen wir aufzeigen, wie Jobs in hiesigen Betrieben attraktiv gestaltet und anpriesen werden können.

Welche Ideen könnten dazu führen, die Lebensqualität und die Versorgung in Ihrer Region langfristig weiter zu verbessern?

Unbestritten das Thema Wohnraum für Einheimische. Dieses hat einen grossen Einfluss darauf, ob eine Region attraktiv bleibt und so der Abwanderung entgegengewirkt werden kann. Unsere Jugend soll Möglichkeiten haben, hier zu arbeiten und wirtschaftlich tätig zu sein. Gleichzeitig müssen auch wirtschaftlich relevante Infrastrukturen geschaffen werden, etwa mit der Zonenplanung und der Netzwerkinfrastruktur.

Was möchten Sie als Regionalentwickler in 10 Jahren in der Region Albula erreicht haben?

Unsere Vision haben wir für eine längere Periode entwickelt. 2050 möchten wir ein Bevölkerungswachstum von 10 Prozent erreicht haben. Es soll dann auch 10 Prozent mehr Arbeitsplätze geben. Darauf arbeiten wir hin. Mit den in den Workshop diskutierten Themen und der angestrebten Umsetzung sind wir sicher auf einem guten Weg. Dafür setze ich mich gerne weiterhin ein.

Besten Dank für das Gespräch.

Die Workshops in der Region Albula wurde im Rahmen des ESPON-Projekts RURALPLAN durchgeführt – ein Projekt, das für ländliche Regionen ohne demografisches Wachstum Strategien für deren Entwicklung erforscht. Das Projekt in der Region Albula wurde via das EU-Programm ESPON (European observation network for territorial development and cohesion) mit Geldern der Neuen Regionalpolitik (NRP) mitfinanziert.

Podcast: «Ticino a Te» – regionale Wertschöpfung für heute und morgen

Ende 2024 wurde das Tessin für seine starke regionale Wertschöpfungskette mit dem «Cercle régional» geehrt. Zur Auszeichnung verhalf ihm die erfolgreiche Verankerung von Regionalprodukten in der lokalen Gastronomie und Hotellerie, namentlich mit den Projekten «Ticino a Te» und «Ticino a Tavola». Sibilla Quadri, Geschäftsleiterin des Tessiner Zentrums für Agrar- und Lebensmittelkompetenzen, stellt die Projekte im Podcast «Region am Mikrofon» vor. Sie spricht darüber, wieso es so wichtig ist, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen, und wie Projekte von bereits bestehenden Ressourcen und Erfahrungen profitieren können.

«Wir sind das Bindeglied in der Wertschöpfungskette für Tessiner Lebensmittel.»

Alle Akteurinnen und Akteure an einem Tisch

Seit 2016 setzt sich «Ticino a Te» («das Tessin für dich») für die sektorenübergreifende Zusammenarbeit von Akteurinnen und Akteuren aus Tessiner Landwirtschaft, Lebensmittelverwertung, Gastronomie und Hotellerie ein. Die Projektverantwortliche Sibilla Quadri betont, wie wertvoll diese Vernetzung für alle Beteiligten ist: «Wir schaffen Sichtbarkeit für lokale Produzentinnen und Produzenten, dank der sie eine breitere Kundschaft ansprechen können. Konsumentinnen und Konsumenten können über unser Netzwerk herausfinden, welche Produkte von wem in ihrer Region produziert werden.»

Im Rahmen von «Ticino a Te» laufen verschiedene Initiativen, darunter auch «Ticino a Tavola» («das Tessin bei Tisch»), eine Initiative von GastroTicino und dem Tessiner Bauernverband. Dabei handelt es sich um eine Zusammenarbeit mit 103 Tessiner Gastronomiebetrieben. Die beteiligten Betriebe verpflichten sich, dass auf ihrer Speisekarte immer mindestens ein Menü mit drei Gängen oder vier einzelne Gerichte zu 60 Prozent aus Tessiner Produkten bestehen und dass Tessiner Weine mindestens 40 Prozent ihrer Weinkarte ausmachen. Im Rahmen von «Ticino a Tavola» werden jährlich 400’000 Gerichte aufgetischt. Das generiert 3,5 Millionen Franken, von denen ein Grossteil zurück an die Tessiner Landwirtschaft und Lebensmittelverwertung fliesst.

«Wer die Herkunft eines Produkts kennt, weiss es besser zu schätzen.»

Mehr als nur eine Frage des Preises

Auf die Frage, ob regionale Produkte preislich mit industriellen Produkten mithalten können, antwortet Quadri: «Wenn ein industrielles Produkt unter denselben Bedingungen produziert wurde, wie ein lokales, dann sind die Preise oft vergleichbar – ich denke da zum Beispiel an die tierfreundliche Haltung von Hühnern oder die Bezahlung der Arbeitenden. Aber sehr oft werden Produkte gegenübergestellt, die unter ganz anderen Bedingungen produziert wurden. Ich finde nicht, dass sie sich so vergleichen lassen.»

Um auf diese Unterschiede in der Produktion hinzuweisen, ist eine wichtige Aufgabe von «Ticino a Te» die Aufklärung: In Zusammenarbeit mit 90 Schulmensen setzt sich «Ticino a Te» dafür ein, dass bei Schülerinnen und Schülern Regionales auf dem Teller landet. «Es ist wichtig, dass Kinder den Wert von regionalen Produkten zu schätzen lernen, schliesslich sind sie die Kundschaft von morgen», so Quadri. Auch Stadtbewohnerinnen und -bewohner werden im Rahmen des Projekts über die Herkunft ihrer Lebensmittel aufgeklärt. «Wer die Herkunft eines Produkts kennt, weiss es besser zu schätzen», meint Quadri.

Langfristig Wirkung erzielen

Dass der Tessiner Beitrag zur regionalen Wertschöpfungskette gleich mehrfach ausgezeichnet wurde, ist kein Zufall: Die Jury für den «Cercle régional» lobte insbesondere das Herzblut, das in «Ticino a Te» steckt und zeigte sich beeindruckt davon, wie viel das Projekt auch mit limitierten finanziellen Mitteln bewirken konnte. Neben kantonalen Geldern erhielt «Ticino a Te» zu Beginn auch NRP-Fördermittel des Bundes. Ab dem fünften Jahr wurde das Tessiner Zentrum für Agrar- und Lebensmittelkompetenzen nur noch vom Kanton Tessin finanziert.

Stefano Rizzi, Direktor der Abteilung Wirtschaft des Kantons Tessin erklärt: «Wir haben das Tessiner Zentrum für Agrar- und Lebensmittelkompetenzen als Pilotprojekt mit der regionalen Wirtschaftspolitik unterstützt. Ziel war die Vernetzung aller Akteurinnen und Akteure in der Region, um die Entwicklung innovativer Projekte zu fördern, die den Reichtum der Tessiner Agrar- und Ernährungswirtschaft aufwerten können. Angesichts der positiven Auswirkungen – auch auf die Wettbewerbsfähigkeit des Primärsektors – beschloss der Kanton, die Initiative gemäss dem kantonalen Landwirtschaftsgesetz mit einem wiederkehrenden Beitrag zu unterstützen.»

Quadri betont, wie wichtig die Unterstützung zu Beginn war: «Dank den Geldern der NRP und des Kantons konnte das Projekt überhaupt auf die Beine gestellt werden. Uns ist es wichtig, dass unsere Arbeit dem Tessin langfristig weiterhilft – dafür braucht es viel Arbeit und nicht zuletzt finanzielle Ressourcen».

Das Tessiner Zentrum für Agrar- und Lebensmittelkompetenzen (CCAT) verwaltet, betreut und entwickelt Projekte im Agrar- und Ernährungssektor. Es verfügt über ein starkes Netzwerk von Kontakten und schafft Synergien zwischen Projekten. Durch die Erfahrungen, die im Rahmen der Entwicklung von «Ticino a Te» und die Zusammenarbeit mit dem Gastronomiesektor gewonnen wurden, ist es ein starker Partner für weitere Projekte der Regionalen Entwicklung, insbesondere PRE.

Fotos: Tessiner Zentrum für Agrar- und Lebensmittelkompetenzen (CCAT) 

Luzerner Bienentage: die Wertschöpfungskette der Bienen im Fokus

Honig, Propolis und Bienenwachskerzen sind weithin bekannt. Doch Bienen und ihre Produkte bieten noch viel mehr. Die Luzerner Bienentage in Sempach haben sich daher zum Ziel gesetzt, die gesamte Wertschöpfungskette der Biene aufzuzeigen. Der als viertägiger Kongress geplante Anlass spricht einerseits Fachleute und wirtschaftliche Akteure an, andererseits die Bevölkerung mit vielfältigen Informationen und regionalen Bienenprodukten.

Wie in einem geschäftigen Bienenstock herrschte am «Bienenzauber» reges Treiben. Im Unterschied zur Fachtagung für Imker am Tag zuvor nahmen am zweiten Kongresstag «Bienenzauber» Kinder und Erwachsene aus der breiten Bevölkerung teil. Die rund 600 Gäste konnten vor Ort auf eindrucksvolle Art erleben, wie bedeutend Bienen für unser Leben sind, wie gross die Themenvielfalt und wie breit die Palette an Bienenprodukten sind. Unmissverständlich wurde dabei auch aufgezeigt, welche zentrale Rolle Bienen als Bestäuber von Natur- und Nutzpflanzen innehaben. Denn sie gehören zu den wichtigsten Nutztieren überhaupt, da sie durch ihre Bestäubungsarbeit nicht nur die Biodiversität fördern, sondern auch indirekt den Artenreichtum unterstützen.

«Die Luzerner Bienentage waren ein voller Erfolg. Wir werden den Anlass auch nächstes Jahr nochmals in dieser Form organisieren und somit wieder einen ‹Bienenzauber› anbieten.»

Beat Lichtsteiner, Projektleiter Luzerner Bienentage

Am «Bienenzauber» gab es viel zu sehen, zu degustieren, auszuprobieren und zu erleben:

  • ein Bienenvolk im Plexiglasschaukasten und die dazugehörige Flugvoliere
  • Degustation unterschiedlicher Honige
  • Kochen und Backen mit Honig oder Met (Honigwein)
  • Degustation von Honigbier, Honigbrand und Honigwhisky
  • Herstellung von Wachstüchern
  • Kosmetika und Naturheilprodukte mit Bienenerzeugnissen
  • Bienenstocklufttherapie für Asthmatiker und zur Desensibilisierung
  • naturnah gestaltete Gärten
  • Anbringung von Pflege von Wildbienenhäusern

Regional, nachhaltig und umweltfreundlich

Im Sinne der Nachhaltigkeit und des Umweltbewusstseins setzt das Konzept des «Bienenzaubers» besonders auf das Präsentieren regionaler Produkte. Denn diese zeichnen sich durch einen minimalen Verbrauch an grauer Energie aus. Ihre Herstellung, ihr Transport und ihr direkter Verzehr vor Ort sind mit deutlich geringeren Umweltbelastungen verbunden als weit hergeholte Produkte. Darüber hinaus stärkt der Konsum regionaler Produkte die lokale Wirtschaft und unterstützt oft kleinere, familiär geführte Betriebe.  

Video: Luzerner Bienentage

Die Idee einer schrittweisen Erweiterung

Das professionell entwickelte Konzept für einen «Kongress zur Stärkung der Wertschöpfungskette Biene» konnte dank Geldern der neuen Regionalpolitik sowie Eigenfinanzierungen und -leistungen realisiert werden. Es sieht vor, dass der Kongress in drei Phasen schrittweise weiterentwickelt wird. Auf diese Weise lassen sich wertvolle Erkenntnisse gewinnen und die Organisation des Anlasses lässt sich kontinuierlich optimieren. Die erste Phase, die bereits 2024 erfolgreich umgesetzt wurde, umfasste die Durchführung von zwei Kongresstagen. Der erste Tag richtete sich an die Kerngruppe der Wertschöpfungskette – die Imker – und vermittelte dem Fachpublikum vertieftes Wissen. Der zweite Tag war als eine Art Festival für die breite Bevölkerung konzipiert.

Lokale Partnerschaften sollen ermöglicht werden

In der zweiten Phase soll zusätzlich zu den zwei Kongresstagen ein dritter eingeführt werden, der die Regional- und Privatwirtschaft mit der Kerngruppe der Imker vernetzen soll. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zu fördern und die Wertschöpfungskette bei diesen wichtigen Zielgruppen stärker zu verankern, um so potenzielle Joint Ventures oder Partnerschaften zu ermöglichen. Darüber hinaus wird an diesem Tag auch der Dialog mit politischen Akteurinnen und Akteuren gesucht.

Die darauffolgende dritte Aufbauphase soll einen vierten Kongresstag umfassen. Dieser richtet sich an Kinder und Schulen. Ziel ist es, junge Menschen für Themen wie Artenvielfalt, Biodiversität und die Welt der Insekten zu sensibilisieren, während gleichzeitig auch Nachhaltigkeit und regionale Produktion thematisiert werden. Zu gegebener Zeit wird nach geeigneten Partnerinnen und Partnern gesucht, die dieses Format mitgestalten können.

«Wir konnten die Idee dank des NRP-Beitrags schnell und mit einer hohen Qualität umsetzen. In diesem Projekt ist die Hebelwirkung eines relativ kleinen Beitrags gross.»

Beat Lichtsteiner, Projektleiter Luzerner Bienentage

Projektdatenbank regiosuisse

Den regionalen Geschmack wiedergefunden

Patricia Michaud

Sein fruchtiger Geschmack und seine cremige Textur machen seine Verkostung zu einem intensiven kulinarischen Erlebnis. Der Vacherin Montd’Or, der zwischen Mitte August und Mitte März im Vallée de Joux (VD) und am Fusse des Waadtländer Juras handwerklich hergestellt wird, ist einer der bekanntesten Westschweizer Käse. Vor zwanzig Jahren erhielten die Mitglieder der Branchenorganisation Interprofession du Vacherin Mont-d’Or, die 1999 gegründet worden war, ihre Interessen rund um diesen Käse zu wahren und seine Produktion zu erhalten, die höchste Auszeichnung: die geschützte Ursprungsbezeichnung AOP. Der Käse ist auch wegen seiner runden Fichtenholzschachtel berühmt, die ihm als Kokon dient und ihn in den Kühlregalen der Lebensmittelgeschäfte auf den ersten Blick erkennbar macht.

Bis vor zwei Jahren wurde diese so charakteristische und sympathische Verpackung ausserhalb der Region hergestellt, sogar ausserhalb des Landes, im benachbarten Frankreich, zwar mit einheimischem Holz – der Risoud-Wald, der grösste zusammenhängende Wald Europas, liegt in Grenznähe –, aber in einer französischen Werkstatt. Interprofession wollte aber sicherstellen, dass die Schweizer Affineure die gesamte Produktionskette beherrschen und der Vacherin Mont- d’Or wieder ein vollständig lokaler Käse wird, einschliesslich der Verpackung.

Sie setzte dazu eine Kommission ein, die nach Lösungen suchen sollte, um die Schachteln wieder in der Region herzustellen. Getragen von einer öffentlich-privaten Finanzierung mit lokaler Ausrichtung, wurde 2021 eine GmbH mit dem Namen Valartibois gegründet, die die Schachteln wieder in der Region herstellt. Sie stützt sich auf das Know-how eines Forstunternehmens aus dem Vallée de Joux und nutzt historische Maschinen, die zu diesem Zweck aufgekauft wurden. Mit diesem Schritt sehen die Projektverantwortlichen auch die Bedeutung des AOP-Labels des Vacherin Mont-d’Or gestärkt. Davon profitiert die ganze Region.

NRP-Projekt in der regiosuisse-Datenbank

Hier finden Sie die Langfassung in Französisch.

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Mit Leidenschaft für Biogemüse

Jana Avanzini

Im Berner Seeland, dem «Gemüsegarten der Schweiz», wollen Gemüseproduzentinnen und ­-produzenten mit Unterstützung eines Projekts zur regionalen Entwick­lung (PRE) den biologischen Gemüseanbau in der Region stärken und nachhaltig verankern. Stand im ersten Jahr die Infrastruktur im Fokus, geht es nun um die Positionierung des Biogemüses für die Zukunft, etwa um die Stärkung des Vertrauens von Grossanbietern und kleineren Partnerinnen und Partnern, aber auch um Identifikation der Konsumentinnen und Konsu­menten mit den Betrieben und am Ende auch mit dem Gemüse selbst. Fritz Burkhalter, Präsident des Vereins PRE BioGemüse Seeland, ist überzeugt, dass der Markenname «Passion Seeland» schon jetzt Programm ist.

Bio boomt, nicht erst seit gestern. Schätzungen zufolge kaufen mittlerweile 56 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer täglich biologisch produzierte Lebensmittel, ein Anstieg von vier Prozent innerhalb eines Jahres. Auch im Ber­ner Seeland will man dieser Nachfrage gerecht werden und sich den Herausforderungen stellen, wie die Biogemüsepro­duktion gestärkt werden kann.

Eine ganze Reihe von Biogemüseproduzentinnen und -produzenten aus der an den Jura grenzenden Region haben sich daher mit dem Ziel zusammengeschlossen, mit einer Pro­fessionalisierung der Aufbereitungs-­ und Vermarktungsstrukturen und der Förderung von Fachkompetenzen den biologi­schen Gemüseanbau im Seeland zu stärken und so neue Wertschöpfung für die Region zu schaffen.

Fritz Burkhalter ist Präsident des Trägervereins PRE Bio­ Gemüse Seeland. Die Marke nennt sich jedoch «Passion Seeland», und die ist im Gespräch mit dem Präsidenten definitiv spürbar. Offiziell gestartet hat das Projekt im November 2021, die Vorarbeiten dazu liefen aber bereits seit 2015. «Wir haben in diesen Jahren bereits viel ausprobiert und besprochen, es wurden Anpassungen am Konzept gemacht – nun steht das Projekt auf sehr stabilen Beinen», sagt Burkhalter.

Bau und «Anbau»

Vor dem Start des PRE befand sich die Infrastruktur der Bioproduzentenorganisation Terraviva und der regionalen Vermarktung von Biogemüse am Limit. Die Arbeit erfolgte zum Teil aus improvisierten Büros in Containern. Kein halt­ barer Zustand. Heute sind zwei Neubauten für Terraviva und «Passion Seeland» – die zentralen und primären Investitionen des Projekts – beinahe fertiggestellt. In ihnen werden neben den Büros auch die Verarbeitung und die Konfektionierung des Biogemüses für Grossverteiler wie Migros oder Coop Platz finden.

Den anstehenden «Anbau», wie es Fritz Burkhalter nennt, bilden zahlreiche Teilprojekte, etwa im Bereich Wissenstrans­fers und Forschung – ein Bereich der Landwirtschaft, der im Biosektor oft noch fehlt, so Burkhalter. Im «Anbau» geht es auch darum, die Kleinvermarktung von Biogemüse aus dem Seeland auszubauen. Bei den Grossverteilern laufe die Vermarktung bereits, sagt Burkhalter, bei Märkten und Hofläden hingegen bestehe noch Potenzial. Hier gehe es auch darum, über Koope­rationen ein breiteres Angebot zu schaffen und damit mehr Menschen zu erreichen und neue Kundschaft zu gewinnen. So spannen die Gemüse­- mit Fleisch-­, Milch-­ oder Honigproduzentinnen und ­-produzenten zusammen oder mit der Gastrono­mie, die auch «Fehlgrössen» – Gemüse in ungewohnter Form oder Grösse, das im Laden oft liegenbleibt – verwerten kann.

Ein weiteres Teilprojekt ist die branchenübergreifende Zusammenarbeit mit der regionalen Tourismusorganisation Murten Tourismus, die weiter ausgebaut werden soll. Dabei will man die Produkte erlebbar machen und so Wertschöpfung über den Tourismus und die Betriebe hinweg erzielen: «Gäste hin, Rüebli her», fasst es Fritz Burkhalter zusammen. Denn Erleb­nisse und Begegnungen schaffen Identität – und plötzlich ist die auf den ersten Blick austauschbare Tomate Teil einer Geschichte. So wird mit zahlreichen Partnerinnen und Partnern bei unterschiedlichsten, besonders agrotouristischen Angebo­ten zusammengearbeitet, die bereits bestanden und funktionieren. Die Gäste können mit gemieteten E-­Bikes die Höfe anfahren und zwischen dem Gemüseernten noch ein Lama streicheln. Selbst ein Gemüsekrimi gehört zum Programm.

Vorarbeit und Vertrauen

«Das Seeland gilt als die ‹Gemüsekammer der Schweiz›. Dieses Bild wollen wir wieder mehr promoten, auch über die regionalen Grenzen hinaus», sagt Fritz Burkhalter. Um die Marke «Seeland» zu stärken, wird auf diese traditionelle, teil­weise etwas in Vergessenheit geratene Eigenschaft der Region Jura Trois­Lacs gesetzt.

Das erste Projektjahr sei sehr erfolgreich verlaufen. Noch fünf Jahre dauert das Projekt bis zum Abschluss, was jedoch nicht bedeute, dass es dann zu Ende sein soll. Bis 2027 soll das Projekt zum Selbstläufer geworden sein, betont Fritz Burkhalter.

Die bisherigen Projektkosten liegen bei 79 Millionen Franken, wovon der Bund insgesamt 7 Millionen übernimmt und der Kanton Freiburg 5,6 Millionen. Den Rest finanzieren die Biogemüseproduzentinnen und ­-produzenten selbst.

© regiosuisse

Die Vorarbeit sei anstrengend gewesen und habe viele Beteiligte stark gefordert. Durch die gemeinsame Arbeit und den intensiven Austausch sei nun aber eine hohe Identifika­tion und breite Abstützung gegeben. Dass die Betriebe die Informationstafeln zu «Passion Seeland» von sich aus gewünscht haben und nun auch beziehen, sei ein kleines Detail, an dem sich das zeige. «Ich bin überzeugt, dass wir mit dem Projekt für die neuen Generationen Perspektiven in der Biolandwirtschaft schaffen, und dies nicht nur für die direkten Nachkommen, die einen Betrieb übernehmen, sondern auch für neue, junge Inter­essierte.» Für den Detailhandel wolle man Liefersicherheit schaf­fen, um Vertrauen und festes Zusammenarbeiten zu fördern, sagt Burkhalter: «Wir wollen die Region stärken und natürlich das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten gewin­nen. Doch am Ende sind wir vor allem für die Betriebe da.»

Projekte für regionale Entwicklung (PRE)

PRE fördern die Wertschöpfung in der Landwirtschaft und die regionale Zusammenarbeit. Auch ökologische, soziale oder kulturelle An- liegen sollen sie berücksichtigen. Das Instrument wurde im Rahmen der Agrarpolitik 2007 eingeführt mit dem Ziel, Agrar- und Regionalpolitik besser aufeinander abzustimmen, das regionale Potenzial auszuschöpfen und das landwirtschaftliche Einkommen zu erhöhen. PRE unterstützen Ideen regionaler Interessengruppen, die zur Förderung der ländlichen Entwicklung beitragen.

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«Impuls-Landschaftsberatung» unterstützt Gemeinden

Bis 2024 bietet das BAFU Gemeinden im Rahmen der Umsetzung des Landschaftskonzepts Schweiz (LKS) kostenlose «Impuls-­Landschaftsberatungen» an. Ziel ist es, den Gemeinden Orientierung in Landschaftsfragen zu geben, ihr Landschaftsbe­wusstsein und ihre Handlungskompetenz zu stär­ken und sie in raumplanerischen Entscheidungen zu unterstützen. Während der Pilotphase stehen Expertinnen und Experten aus verschiedenen Sprachregionen mit breitem Landschaftswissen für Beratungen zu Themen wie Zonenplanrevisio­nen, Freiraumplanung und vieles mehr zur Verfügung. Mithilfe der Beratung befähigen sich die Gemeinden, das Thema «Landschaft» in Planungs-­ und Projektarbeiten besser zu berücksichtigen. Die «Impuls-­Landschaftsberatung» reiht sich ein in bereits etablierte Gefässe und unterstützt erste Schritte zu einer nachhaltigen Landschaftsent­wicklung. Die BAFU-Website orientiert über den Prozess und die Kontakte für eine Beratung.

www.bafu.admin.ch/landschaftsberatung