Zweiter Frühling für die Kirschen

Jana Avanzini

Chriesibier, Chriesiwurst, Zuger Kirschtorte – Zuger Kirschen werden ganz schön geschickt vermarktet. Und die Bäume, an denen die Ernte reift, sehen auch noch hübsch aus, besonders wenn sie im Frühling strahlend weiss blühen. Trotzdem hatte der Kirschenanbau in der Zentralschweizer Landwirtschaft stark an Attraktivität verloren. Sowohl Wissen als auch Tradition schienen verloren zu gehen – aber auch die Hochstammbäume aus der Landschaft. Nun jedoch sieht es nach einer weiteren Blütezeit aus – dank des Projekts zur regionalen Entwicklung (PRE) «Zuger Rigi Chriesi».

200 Jahre nach Christus sollen in Zug schon Kirschbäume gestanden haben. Und rund um die Rigi wurde im 14. Jahrhundert bereits fleissig angebaut, nicht nur der Früchte, sondern auch des Holzes wegen. Heute kennt man im Zusammenhang mit Kirschen in der Zentralschweiz vor allem die Zuger Kirschtorte. Sie wurde 1915 vom Konditor Heinrich Höhn entwickelt, später wurde sie Kult und 2008 ins Inventar «Kulinarisches Erbe der Schweiz» aufgenommen. Doch bereits vor der süssen Verwendung ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Kirschwasser aus der Region rund um die Rigi zu einem beliebten Exportartikel. Zu erwähnen sind auch der 1627 erstmals belegte Kirschenmarkt in Zug und der «Zuger Chriesisturm», ein Anlass, bei dem Männer und Kinder mit langen Leitern und Frauen mit sogenannten Hutten durch die Zuger Altstadt rennen.

Rettung einer Tradition

Das Jahr 1951 bildete – bezüglich des Baumbestandes – den Höhepunkt für die Zuger Kirschenkultur. Ganze 112 000 Kirschbäume standen damals im Raum Zug/Rigi. Doch bald darauf setzte ein starker Rückgang ein. Veränderungen in der Landwirtschaft und tiefe Preise für die Früchte sorgten dafür, dass viele Bauern ihre Kirschen nicht mehr verkaufen konnten und die Bäume sich selbst überliessen. Fällaktionen der eidgenössischen Alkoholverwaltung in den 1950er-Jahren und Rodungsprämien bis in die 1980er-Jahre beschleunigten den Strukturwandel im Obstbau. Immer mehr Land wurde auch umgezont; aus «Chriesi-Bergen» wurden Strassen und Überbauungen.

Der Tiefstand wurde um die Jahrtausendwende mit rund 44 000 Bäumen im Gebiet erreicht. Damit die charakteristischen Hochstammbäume nicht ganz aus dem einheimischen Landschaftsbild verschwinden und traditionelle Produkte weiterhin mit regionalen Früchten produziert werden können, musste investiert werden. Es brauchte wieder attraktive Bedingungen für Bäuerinnen und Bauern, die Landschaft in der gefragten Art und Weise zu bewirtschaften.

Genau hier setzt die Zuger Rigi Chriesi AG an. Dass die Kirschen in Zug und rund um die Rigi einen zweiten Frühling erleben, ist ihrer Arbeit und hauptsächlich dem Projekt zur regionalen Entwicklung (PRE) «Zuger Rigi Chriesi» zu verdanken. Mit dem PRE-Programm fördert das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) die Wertschöpfung in der Landwirtschaft und die regionale Zusammenarbeit. In Kombination mit ökonomischen Zielen werden auch ökologische, soziale oder kulturelle – also auch landschaftliche – Anliegen verfolgt.

© regiosuisse

Mehr Bäume …

Durch die Förderung des Hochstammbaumes profitiere die ganze Region auf mehreren Ebenen, betont die Geschäftsführerin der Zuger Rigi Chriesi AG, Michela D’Onofrio: «Es ist eine Aufwertung des Landschaftsbildes, eine Erhaltung von Tradition, eine Förderung der Biodiversität und landwirtschaftlicher Perspektiven.»

Mehr als 2500 Hochstammkirschbäume wurden während der Projektzeit von 2011 bis 2018 im Kanton Zug sowie in neun Schwyzer und sieben Luzerner Gemeinden gepflanzt – nicht nur durch die Zuger Rigi Chriesi AG, sondern auch durch die IG Zuger Chriesi. Diese hat sich ebenfalls der Wiederbelebung des Kirschenanbaus verschrieben, jedoch beschränkt auf den Kanton Zug. Bäume zu pflanzen, sei jedoch der kleinste Aufwand, so D’Onofrio, viel aufwendiger und wichtiger sei es, den Anbau auf lange Frist attraktiv zu machen.

Denn mit dem Anbau allein ist es nicht getan. Die Arbeit besteht vor allem auch darin, über professionelles Marketing Absatzkanäle für grössere Mengen zu erschliessen, im Detailhandel oder auch in der Gastronomie. Die Kirschen sollen bei Grossverteilern und als Industriekirschen in den Verkauf kommen, wo derzeit billiger produzierte Kirschen aus anderen Ländern dominieren. Und es geht ebenfalls darum, den Austausch von Wissen in regionalen und überregionalen Netzwerken zu fördern – bezüglich der Bäume, ihrer Früchte, ihrer Schädlinge oder auch der Verarbeitung.

Zehn Jahre gibt es die Zuger Rigi Chriesi AG nun, die zum Vorzeigeprojekt der PRE avancierte. Nach vier Jahren wurde das PRE um weitere drei verlängert. Nun ist es von Seiten des Bundes offiziell abgeschlossen und damit auch die Mitfinanzierung durch die öffentliche Hand. An die Projektkosten von rund 4 Millionen Franken leistete der Bund rund eine Million. Doch die Arbeit geht weiter. D’Onofrio führt zusammen mit einer Kollegin die Vermarktung und Vernetzung weiter, finanziert durch den Umsatz der eigenen Produkte.

Chumm mir wei ga Chrieseli gwünne
Weiss am-n-e Ort gar grüüseli viil

Roti, schwarzi, gibeli-gälbi
Zwöi bis drü an einem Stiil.

Falleri, fallera, falleri, fallera
Zwöi bis drü an einem Stiil.

Schweizer Kinderlied

Zum Anhören: O-Ton «Chumm, mir wei go Chrieseli günne»

… viel Arbeit

Auf dem Chriesihof von Peter Meier in Rotkreuz beginnen die Bäume Mitte März schon zu blühen. Frühblüher sind sie und damit wichtiges Bienenfutter nach dem Winter. Mit schnellem Schritt geht Meier zwischen den Hochstammbäumen voraus auf die über hundert neuen Bäume zu, die er angepflanzt hat. Sie werfen noch wenig Ertrag ab, doch bald werden sie den alten Bäumen Konkurrenz machen, die noch von Meiers Vater bewirtschaftet wurden.

Neben Kälbern und Weihnachtsbäumen sind die mittlerweile rund 450 Hochstammbäume ein Hauptpfeiler seiner Arbeit auf dem Hof. Einer Arbeit, die sehr viel aufwendiger ist, als sich Laien vorstellen können. Denn die Bäume müssen geschnitten werden und gespritzt – mehrfach mit Kalk und nochmals mit Kupfer und dann mit Pestiziden gegen die Kirschenfliege und die neue, noch aggressivere Kirschessigfliege. Trotzdem kann es passieren, dass die Kirschen von Fäulnis befallen werden und ein Grossteil der Ernte unbrauchbar wird oder Mäuse die Wurzeln der Bäume fressen, wie es Peter Meier gerade erst erlebte.

Peter Meier, Rotkreuz (ZG), beim Mulchen, das im Kampf gegen die Kirschessigfliege hilft © regiosuisse

Stolz und Geld

Gegen 7000 Schweizer Franken muss pro Baum an Arbeit und Material aufgewendet werden, bis dieser eine richtige Ernte abwirft, rechnet Michela D’Onofrio vor. Sieben Jahre dauert es, bis ein Baum in voller Blüte steht, dafür wirft er danach jeden Herbst um die 100 Kilo Früchte ab.

Für Peter Meier steckt mehr hinter dieser Arbeit als der landwirtschaftliche Ertrag. Die Tradition und die Landschaft liegen ihm am Herzen – wenn die Bäume im Frühling blühen oder im Herbst orange und rot leuchten. «Auch wenn ich die Produkte im Laden sehe, bin ich stolz. Doch am Ende, muss man auch sagen, zählt auch das Portemonnaie. Das ist entscheidend bei der Frage, ob man weiter auf ein Produkt setzen kann.» Und das kann er nun. Denn die Produzentenpreise haben sich in den letzten zehn Jahren beinahe verdoppelt. Ein Verdienst des PRE und des regionalen Engagements. So kann Peter Meier wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen die Kirschen heute kostendeckend produzieren und am Oberen Bachtalen noch mehr Bäume pflanzen.

zuger-rigi-chriesi.ch

blw.admin.ch/pre

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