Im Berner Seeland, dem «Gemüsegarten der Schweiz», wollen Gemüseproduzentinnen und -produzenten mit Unterstützung eines Projekts zur regionalen Entwicklung (PRE) den biologischen Gemüseanbau in der Region stärken und nachhaltig verankern. Stand im ersten Jahr die Infrastruktur im Fokus, geht es nun um die Positionierung des Biogemüses für die Zukunft, etwa um die Stärkung des Vertrauens von Grossanbietern und kleineren Partnerinnen und Partnern, aber auch um Identifikation der Konsumentinnen und Konsumenten mit den Betrieben und am Ende auch mit dem Gemüse selbst. Fritz Burkhalter, Präsident des Vereins PRE BioGemüse Seeland, ist überzeugt, dass der Markenname «Passion Seeland» schon jetzt Programm ist.
Bio boomt, nicht erst seit gestern. Schätzungen zufolge kaufen mittlerweile 56 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer täglich biologisch produzierte Lebensmittel, ein Anstieg von vier Prozent innerhalb eines Jahres. Auch im Berner Seeland will man dieser Nachfrage gerecht werden und sich den Herausforderungen stellen, wie die Biogemüseproduktion gestärkt werden kann.
Eine ganze Reihe von Biogemüseproduzentinnen und -produzenten aus der an den Jura grenzenden Region haben sich daher mit dem Ziel zusammengeschlossen, mit einer Professionalisierung der Aufbereitungs- und Vermarktungsstrukturen und der Förderung von Fachkompetenzen den biologischen Gemüseanbau im Seeland zu stärken und so neue Wertschöpfung für die Region zu schaffen.
Fritz Burkhalter ist Präsident des Trägervereins PRE Bio Gemüse Seeland. Die Marke nennt sich jedoch «Passion Seeland», und die ist im Gespräch mit dem Präsidenten definitiv spürbar. Offiziell gestartet hat das Projekt im November 2021, die Vorarbeiten dazu liefen aber bereits seit 2015. «Wir haben in diesen Jahren bereits viel ausprobiert und besprochen, es wurden Anpassungen am Konzept gemacht – nun steht das Projekt auf sehr stabilen Beinen», sagt Burkhalter.
Bau und «Anbau»
Vor dem Start des PRE befand sich die Infrastruktur der Bioproduzentenorganisation Terraviva und der regionalen Vermarktung von Biogemüse am Limit. Die Arbeit erfolgte zum Teil aus improvisierten Büros in Containern. Kein halt barer Zustand. Heute sind zwei Neubauten für Terraviva und «Passion Seeland» – die zentralen und primären Investitionen des Projekts – beinahe fertiggestellt. In ihnen werden neben den Büros auch die Verarbeitung und die Konfektionierung des Biogemüses für Grossverteiler wie Migros oder Coop Platz finden.
Den anstehenden «Anbau», wie es Fritz Burkhalter nennt, bilden zahlreiche Teilprojekte, etwa im Bereich Wissenstransfers und Forschung – ein Bereich der Landwirtschaft, der im Biosektor oft noch fehlt, so Burkhalter. Im «Anbau» geht es auch darum, die Kleinvermarktung von Biogemüse aus dem Seeland auszubauen. Bei den Grossverteilern laufe die Vermarktung bereits, sagt Burkhalter, bei Märkten und Hofläden hingegen bestehe noch Potenzial. Hier gehe es auch darum, über Kooperationen ein breiteres Angebot zu schaffen und damit mehr Menschen zu erreichen und neue Kundschaft zu gewinnen. So spannen die Gemüse- mit Fleisch-, Milch- oder Honigproduzentinnen und -produzenten zusammen oder mit der Gastronomie, die auch «Fehlgrössen» – Gemüse in ungewohnter Form oder Grösse, das im Laden oft liegenbleibt – verwerten kann.
Ein weiteres Teilprojekt ist die branchenübergreifende Zusammenarbeit mit der regionalen Tourismusorganisation Murten Tourismus, die weiter ausgebaut werden soll. Dabei will man die Produkte erlebbar machen und so Wertschöpfung über den Tourismus und die Betriebe hinweg erzielen: «Gäste hin, Rüebli her», fasst es Fritz Burkhalter zusammen. Denn Erlebnisse und Begegnungen schaffen Identität – und plötzlich ist die auf den ersten Blick austauschbare Tomate Teil einer Geschichte. So wird mit zahlreichen Partnerinnen und Partnern bei unterschiedlichsten, besonders agrotouristischen Angeboten zusammengearbeitet, die bereits bestanden und funktionieren. Die Gäste können mit gemieteten E-Bikes die Höfe anfahren und zwischen dem Gemüseernten noch ein Lama streicheln. Selbst ein Gemüsekrimi gehört zum Programm.
Vorarbeit und Vertrauen
«Das Seeland gilt als die ‹Gemüsekammer der Schweiz›. Dieses Bild wollen wir wieder mehr promoten, auch über die regionalen Grenzen hinaus», sagt Fritz Burkhalter. Um die Marke «Seeland» zu stärken, wird auf diese traditionelle, teilweise etwas in Vergessenheit geratene Eigenschaft der Region Jura TroisLacs gesetzt.
Das erste Projektjahr sei sehr erfolgreich verlaufen. Noch fünf Jahre dauert das Projekt bis zum Abschluss, was jedoch nicht bedeute, dass es dann zu Ende sein soll. Bis 2027 soll das Projekt zum Selbstläufer geworden sein, betont Fritz Burkhalter.
Die bisherigen Projektkosten liegen bei 79 Millionen Franken, wovon der Bund insgesamt 7 Millionen übernimmt und der Kanton Freiburg 5,6 Millionen. Den Rest finanzieren die Biogemüseproduzentinnen und -produzenten selbst.
Die Vorarbeit sei anstrengend gewesen und habe viele Beteiligte stark gefordert. Durch die gemeinsame Arbeit und den intensiven Austausch sei nun aber eine hohe Identifikation und breite Abstützung gegeben. Dass die Betriebe die Informationstafeln zu «Passion Seeland» von sich aus gewünscht haben und nun auch beziehen, sei ein kleines Detail, an dem sich das zeige. «Ich bin überzeugt, dass wir mit dem Projekt für die neuen Generationen Perspektiven in der Biolandwirtschaft schaffen, und dies nicht nur für die direkten Nachkommen, die einen Betrieb übernehmen, sondern auch für neue, junge Interessierte.» Für den Detailhandel wolle man Liefersicherheit schaffen, um Vertrauen und festes Zusammenarbeiten zu fördern, sagt Burkhalter: «Wir wollen die Region stärken und natürlich das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten gewinnen. Doch am Ende sind wir vor allem für die Betriebe da.»
Projekte für regionale Entwicklung (PRE)
PRE fördern die Wertschöpfung in der Landwirtschaft und die regionale Zusammenarbeit. Auch ökologische, soziale oder kulturelle An- liegen sollen sie berücksichtigen. Das Instrument wurde im Rahmen der Agrarpolitik 2007 eingeführt mit dem Ziel, Agrar- und Regionalpolitik besser aufeinander abzustimmen, das regionale Potenzial auszuschöpfen und das landwirtschaftliche Einkommen zu erhöhen. PRE unterstützen Ideen regionaler Interessengruppen, die zur Förderung der ländlichen Entwicklung beitragen.