Landschaft – Kapital einer Bergregion

Lukas Denzler

Als naturnahe Landschaft stellt das Zürcher Berggebiet rund um den Tössstock einen Kontrapunkt zur hektischen Agglomeration Zürich dar. Die ländliche Hügelregion verfügt über hohe Natur- und Landschaftswerte. Der Verein Pro Zürcher Berggebiet hat das Potenzial erkannt und sich zum Ziel gesetzt, die attraktive Landschaft zusammen mit dem Kanton Zürich im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP) vermehrt in Wert zu setzen.

Der Wanderweg führt vom Bahnhof Fischenthal ein Stück der Töss entlang, bevor er an abgelegenen Höfen vorbei und über Weiden steil zum Hüttchopf ansteigt. Dort öffnet sich der Blick zum Schnebelhorn und zum Tössstock. Bereits 1912 wurde dieses waldreiche Gebiet vom Zürcher Regierungsrat als Pflanzen- und Wildschongebiet bezeichnet. Weiter führt der Weg zur Alp Scheidegg, wo der Blick von den Glarner Alpen über die beiden Zacken der Mythen bis zu Rigi und Pilatus schweift. Im Vordergrund, sanft eingebettet in die Landschaft, der Zürichsee mit dem Seedamm.

Das Zürcher Oberland und das Tösstal bieten ideale Möglichkeiten für kürzere oder längere Wanderungen. Von Rapperswil, Wetzikon, Uster, Zürich und Winterthur her gut erreichbar, stellen sie einen Gegensatz zur hektischen Agglomeration Zürich dar. Die hohen Natur- und Landschaftswerte widerspiegeln sich nicht zuletzt darin, dass der überwiegende Teil des Zürcher Berggebiets zum Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung gehört (BLN 1420, Hörnli-Bergland).

Landschaftliche Qualitäten als Basis der Zürcher NRP

Der Verein Pro Zürcher Berggebiet und das ihm angegliederte Regionalmanagement Zürioberland haben diesen Trumpf erkannt. Zusammen mit dem Kanton Zürich möchten sie die Landschaft im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP) vermehrt in Wert setzen. Dem Verein gehören dreizehn Gemeinden an, neben zehn Gemeinden im Zürcher Oberland und im Tösstal auch die beiden Thurgauer Gemeinden Bichelsee-Balterswil und Fischingen sowie das sanktgallische Eschenbach. Aufgrund der Topografie, der touristischen Anziehungspunkte sowie der Liefer- und Wertschöpfungsketten handelt es sich um einen funktionalen Raum. Entsprechend wurde auch der NRP-Perimeter kantonsübergreifend festgelegt. Der Kanton Zürich trägt dabei die Programmverantwortung und fragt die Kantone Thurgau und St. Gallen an, sich finanziell zu beteiligen.

© regiosuisse

Für die NRP zuständig ist im Kanton Zürich das Amt für Landschaft und Natur (ALN) der Baudirektion. Grund dieser speziellen Situation ist, dass sich das Zürcher Berggebiet, das bis letztes Jahr allein das NRP-Wirkungsgebiet des Kantons ausmachte, durch hohe Landschafts- und Naturwerte auszeichnet. Die grundsätzliche Stossrichtung der NRP bestand im Kanton Zürich daher von Anfang an darin, die regionale Wertschöpfung ausgehend von den landschaftlichen Qualitäten zu steigern.

Lebensqualität als zentraler Standortfaktor

Für den Wirtschaftsraum Zürich mit seinen internationalen Unternehmen und Hochschulen, die auf hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind, stellt die Lebensqualität einen zentralen Standortfaktor dar. Die gut erreichbaren ländlichen Räume gewinnen in diesem Zusammenhang an Bedeutung (siehe Kasten). Das Bedürfnis der Menschen nach Erholung in intakten Landschaften und idyllischer Natur als Ausgleich zum hektischen Alltag ist gross. «Somit gewinnt das landschaftliche und kulturelle Kapital des Zürcher Berggebiets an Bedeutung», folgert Daniela Waser, Geschäftsführerin des Regionalmanagements Zürioberland. Durch gezielte Angebote könne dieses zu einer qualitativen Entwicklung der Region beitragen. Bereits in der NRP-Periode 2016–2019 lancierte man das Vertragsziel «Ruhelandschaft» mit der Absicht, das Zürcher Berggebiet als Ort der Ruhe, der Zeit und der Gesundheit zu positionieren. Es ergänzte andere NRP-Schwerpunkte wie die Förderung von Tourismus und regionalen Produkten in idealer Weise.

Ein wichtiger Meilenstein war die Erarbeitung einer Grundlagenstudie des Instituts für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil zum Potenzial des Zürcher Berggebiets als «Ruhelandschaft». Die Themen «Ruhe», «Zeit» und «Gesundheit» seien gut gewählt und nähmen die gesellschaftlichen Bedürfnisse nach Erholung, Entschleunigung und Ausgleich auf, schreiben die Autorinnen und Autoren. Es bestehe grosses Potenzial, die vorhandenen Werte in die regionalen Wertschöpfungsketten des Zürcher Berggebiets einzubinden. «Der Bericht bestätigt, dass das Vertragsziel ‹Ruhelandschaft› vielversprechend ist und eine solide Grundlage darstellt, um nun konkrete Projekte zu entwickeln», stellt Franziska Heinrich vom ALN fest.

Blick von der Scheidegg bei Wald ZH zum Obersee und zum Alpenrand © regiosuisse

Angebote bündeln und besser sichtbar machen

Für viele Menschen ist die Landschaft eine Quelle der Inspiration. Kraftorte und Spiritualität gewinnen an Bedeutung. Im Nordosten des Zürcher Berggebiets etwa liegt das Benediktiner Kloster Fischingen, das auch Übernachtungsmöglichkeiten bietet. Es ist eine stille Oase für Kurse und Seminare und ein Geheimtipp für kulturelle Veranstaltungen.

In der aktuellen NRP-Periode geht es nun darum, konkrete Projekte anzupacken. «Wir wollen die bestehenden und die neuen Angebote bündeln und besser sichtbar machen», sagt Daniela Waser vom Regionalmanagement. Wichtig sei dabei, wie die Angebote unter dem Dach der «Ruhelandschaft» präsentiert würden. Dabei gehe es auch darum, den regionalen Akteurinnen und Akteuren und der lokalen Bevölkerung das Potenzial sichtbar zu machen, das sich mit der «Ruhelandschaft» eröffnet.

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Um das Zürcher Oberland als Komplementärraum zu den urbanen Gebieten zu entwickeln, gilt es aber auch, die Vereinbarkeit von Arbeit und Wohnen zu bessern – beispielsweise mit neuen Co-Working-Spaces. «Eine Chance stellt auch das Corporate Volunteering dar», betont Daniela Waser. Diese Angebote richten sich an Firmen, die ihren Mitarbeitenden Arbeitseinsätze mit gemeinnützigem Zweck ermöglichen wollen.

Das Regionalmanagement hat das Potenzial der Landschaft erkannt. An den regionalen Akteurinnen und Akteuren liegt es nun, den Ball aufzunehmen und Angebote zu entwickeln.

prozb.ch

regiosuisse.ch/nrp

Der kantonale Entwicklungsrahmen

Mit der «Langfristigen Raumentwicklungsstrategie (LaRES)» soll der Kanton Zürich auch in Zukunft ein attraktiver Lebens- und Wirtschaftsraum bleiben. Die Entwicklungsstrategie unterscheidet fünf Handlungsräume. Das Zürcher Berggebiet gehört überwiegend zum Handlungsraum «Kultur- und Naturlandschaften». Da die Siedlungsentwicklung künftig im Wesentlichen in den Stadt- und urbanen Wohnlandschaften stattfinden soll, ergibt sich für das Berggebiet mit seinen hohen Landschafts- und Natur-werten die langfristige Perspektive, sich als lebendigen Komplementärraum zu den Ballungszentren zu positionieren.

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