RiCoNET – das Wallis und das Piemont denken Raumnutzung neu
In vielen Regionen stehen Räume und Gebäude leer oder werden nur sehr limitiert genutzt. Das Interreg-Projekt «Räumliche Regeneration und Kooperation für die grenzüberschreitende Governance» (RiCoNET) hat sich zum Ziel gesetzt, das Potenzial solcher unterbenutzten Räumlichkeiten zu analysieren und herauszufinden, wie es voll ausgeschöpft werden kann. Die schweizerisch-italienische Zusammenarbeit geht die Raumneunutzung gemeinsam an und gibt Impulse für andere Regionen.
Im Interview gibt Cristina Saviozzi, Co-Projektleiterin auf Schweizer Seite und Forscherin am Institut für Tourismus der HES-SO in Sion, Einblicke in die Herausforderungen und Erfolge des Projekts und erklärt, wieso das Neudenken von Räumen und Gebäuden uns in der Zukunft immer mehr beschäftigen wird.
Frau Saviozzi, welche Ziele verfolgten Sie mit dem Projekt RiCoNET?
RiCoNET setzte sich mit der Revitalisierung unterbenutzter Räumlichkeiten in den schweizerisch-italienischen Grenzgebieten im Wallis und im Piemont auseinander. Dafür haben wir verglichen, welche Methoden in beiden Ländern zur Anwendung kommen. Ausserdem haben wir Workshops und Schulungen zur Thematik angeboten.
Wer war daran beteiligt?
Das Projekt wurde auf Schweizer Seite von der HES-SO und auf italienischer Seite von der Universität Ostpiemont geleitet. Es fand in enger Zusammenarbeit mit der italienischen Stadt Biella und mit den Walliser Gemeinden Riddes und Isérables statt. Die Schweizer Projektpartner wurden über Interreg-Mittel der Neuen Regionalpolitik unterstützt, die italienischen Partner über Interreg-Gelder der EU. Ohne diese Unterstützung wäre ein Projekt dieser Grösse nie zustande gekommen
RiCoNET wurde offiziell 2023 abgeschlossen. Ist das Projekt heute trotzdem noch relevant?
Unbedingt! Unterbenutzte Räumlichkeiten gibt es überall. Biella ist eine Stadt, Riddes und Isérables sind kleine Berggemeinden und doch verbindet die Thematik alle drei. Mit dem gesellschaftlichen Wandel ändern sich die Bedürfnisse in den Regionen und immer mehr Räumlichkeiten verlieren ihren ursprünglichen Nutzen.
Das zeigte zum Beispiel unser Workshop in Isérables: Die traditionellen Agrarpraktiken in Berggebieten haben sich – nicht zuletzt durch den Klimawandel – verändert und viele der Getreidespeicher stehen heute leer. Im Workshop haben wir Ideen dafür entwickelt, wie sie ihren Gemeinden trotzdem einen Mehrwert bieten können – als Kulturstätten, Tourismusattraktionen oder als Mehrzweckräume.
Auf unserer Webseite stellen wir auch weiterhin die Ressourcen zur Verfügung, die wir an unseren Workshops erarbeitet und an unseren Schulungen geteilt haben. RiCoNET ist in diesem Sinne weiterhin aktiv und relevant.
Können Sie die Massnahmen, die im Rahmen von RiCoNET stattgefunden haben, genauer beschreiben?
Wir haben mit den Studierenden beider Hochschulen Workshops durchgeführt, an denen wir unterbenutzte Räumlichkeiten in den Partnergemeinden besuchten und Neunutzungsmöglichkeiten dafür andachten. Für ein leerstehendes Industriegebäude in Biella entwickelten wir zum Beispiel einen Ansatz, wie es neu für kulturelle Anlässe und für öffentliche Zusammenkünfte verwendet werden könnte. Ausserdem haben wir das «Living Lab RiCoNET» ins Leben gerufen – eine Wissens- und Austauschplattform für Methoden und Ideen zur Umfunktionierung ungenutzter Räumlichkeiten.
An wen richtet sich die Wissens- und Austauschplattform?
Living Lab RiCoNET ermöglicht den Austausch zwischen verschiedenen Zielgruppen. Bürgerinnen und Bürger können untergenutzte Räume identifizieren und Ideen für deren Neunutzung vorschlagen.
Die Plattform richtet sich auch an die öffentliche Verwaltung, indem ihr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, mit denen sie die vorübergehende Neunutzung ungenutzter Räumlichkeiten angehen kann.
Schliesslich begrüsst die Plattform auch Fachleute aus der Stadtplanung und Architektur, die auf Grundlage der Diskussionen im Living Lab Ideen austauschen und Erneuerungsprojekte in Betracht ziehen können.
Sie haben erwähnt, dass es sich bei RiCoNET um eine Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Italien handelt. Wie hat sich die Zusammenarbeit gestaltet?
Die Thematik beschäftigt beide Länder. Durch die enge Zusammenarbeit konnten wir unser Wissen austauschen und vereinen. Wir konnten Wirtschaftsstudierende aus Italien und Tourismusstudierende aus der Schweiz für Diskussionsrunden zusammenbringen. Da unsere drei Partnergemeinden sich geografisch und demografisch stark unterscheiden, konnten wir die Raumentwicklung in einem breiten Spektrum andenken.
Was war besonders schwierig?
Covid hat uns dazu gezwungen, Schulungen online statt vor Ort abzuhalten. Wir mussten uns ausserdem intensiv mit den Rechtstexten beider Länder auseinandersetzen, da es keine nationalen oder internationalen Gesetze zur temporellen Umfunktionierung von Räumlichkeiten gibt, sondern nur Verordnungen auf Gemeindeniveau.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Auf die drei Toolkits, die aus unseren Workshops entstanden sind und die wir der öffentlichen Verwaltung und anderen Interessentinnen und Interessenten zur Verfügung stellen! Sie sind das greifbare Resultat unserer Arbeit. Auf einem abstrakteren Niveau die Tatsache, dass wir Studierende aus zwei Ländern mit unterschiedlichen Studiengängen zusammenbringen konnten. Von diesem Austausch haben wir alle profitiert. Nicht zuletzt arbeiten wir bereits an einem neuen Projekt. Es beschäftigt sich ebenfalls mit der Umfunktionierung von leerstehenden Räumlichkeiten zu Multifunktionsflächen, von denen Gemeinden profitieren können.
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Fotos: RiCoNET