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Podcast: «WiGe: Regionen durch kollektive Intelligenz stärken»

Die Wissensgemeinschaften (WiGe) bringen Akteure aus verschiedenen Bereichen zusammen, um gemeinsam die regionale Entwicklung in der Schweiz voranzutreiben. Sie wurden von regiosuisse ins Leben gerufen und unterstützen die Umsetzung der Neuen Regionalpolitik (NRP), indem sie Räume für den Erfahrungsaustausch und die gemeinsame Gestaltung regionaler Projekte schaffen. Wie funktioniert dieses Format und wie sieht die Zusammenarbeit zwischen den Teilnehmenden aus? Unsere Gäste Luc Jaquet und Laura Collaud sprechen darüber – und untersuchen unter anderem die Parallelen zwischen individueller und territorialer Resilienz.

Von der Krise zum kollektiven Lernen

«Nach Krisen – seien sie persönlicher oder territorialer Natur – geht es nicht nur darum, sich wieder aufzurichten, sondern wenn möglich auch darum, Instrumente zu entwickeln, mit denen wir künftige Krisen besser bewältigen können. Das Wichtigste ist, seine Prioritäten zu überdenken und die Anstrengungen auf die richtigen Bereiche zu konzentrieren», erklärt Luc Jaquet, Senior Projektleiter bei regiosuisse.

Genau in diese Logik fügen sich die Wissensgemeinschaften (WiGe) von regiosuisse ein, ein Format, das dazu dient, Akteure der Regionalentwicklung zu wichtigen Themen wie lokaler Wirtschaft, Soziale Innovationen oder Kreislaufwirtschaft zusammenzubringen. Diese Ansätze stehen in direktem Zusammenhang mit den Zielen der Neuen Regionalpolitik (NRP), die innovative wirtschaftliche Dynamiken in den Regionen fördert.

Drei Workshops zur Erarbeitung konkreter Lösungen

Die Arbeit der WiGe basiert auf drei physischen Workshops, an denen eine kleine, sich ergänzende Gruppe von etwa 15 bis 20 Personen aus verschiedenen Bereichen teilnimmt. «Ein gutes regionales Projekt vereint die Kompetenzen von Wissenschaftlern, Trägern konkreter Projekte und öffentlichen Akteuren», erklärt Luc Jaquet.

Diese Workshops verfolgen drei Ziele:

  1. Ein gemeinsames Verständnis der mit dem behandelten Thema verbundenen Herausforderungen entwickeln
  2. Austausch konkreter Erfahrungen, die diesen Herausforderungen gerecht werden
  3. Stärkung der Kompetenzen und Vorschlag eines Transfers über regiosuisse

Die Schweiz, ein günstiger Nährboden für Co-Kreation

Laut Luc Jaquet, der auch in anderen Ländern gearbeitet hat, erleichtert die Schweiz mit ihrer Nähe zwischen den Akteuren – insbesondere den Behörden – diese Dynamik besonders.

«In der Schweiz ermöglicht diese Kultur des Pragmatismus und der Zusammenarbeit ein effizienteres gemeinsames Vorankommen», erklärt er. Diese Fähigkeit, unterschiedliche Welten auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch zu bringen, ist ein Alleinstellungsmerkmal des Schweizer Systems – und ein idealer Nährboden für die gemeinsame Entwicklung von NRP-Projekten.

Erfahrungsbericht der Stadt Freiburg

Laura Collaud, Spezialistin für Stadtmarketing bei der Stadt Freiburg, berichtet von ihrer aktiven Teilnahme an der WiGe «Lokale Wirtschaft». Sie sieht darin eine Gelegenheit zur Inspiration, zum Networking und zum Kompetenztransfer und betont, dass viele Städte mit ähnlichen Herausforderungen wie Freiburg konfrontiert sind. Der Austausch von Ansätzen und Erfahrungen spart nicht nur Zeit, sondern verbessert auch die Effizienz. Angesichts der Herausforderungen ihres sich wandelnden Sektors suchte sie nach bewährten Praktiken, inspirierenden Austauschmöglichkeiten und Zugang zu neuen Netzwerken.

Bei der WiGe stellte sie die kürzlich eingeführte Stadtmarketingstrategie der Stadt Freiburg vor: ihre Entstehung, die Gründung des Sektors sowie die Umsetzung des Aktionsplans. Es handelt sich hier um einen noch jungen Bereich, der jedoch eng mit der lokalen Wirtschaft verbunden ist und dessen Strategie auf einer multipartnerschaftlichen Governance basiert. Erste Erfolge konnten bereits erzielt werden, was auch andere Regionen inspiriert hat.

 «Alleine könnten wir das nicht schaffen – es bedarf der Beteiligung einer ganzen Reihe lokaler, regionaler und sogar überregionaler Partner», erklärt sie und fügt hinzu, dass kollektive Intelligenz zu einer Notwendigkeit geworden sei.

Das Interesse an ihrem Vortrag war so gross, dass sie während der Pause nie ihren Kaffee trinken konnte, so intensiv war der Austausch mit den anderen Teilnehmenden. Darüber hinaus öffnet sich die Stadt Freiburg auch international, insbesondere durch ihre Mitgliedschaft im Netzwerk der Kreativstädte der UNESCO – ohne jedoch die regionale und lokale Verankerung aus den Augen zu verlieren. Ein anschauliches Beispiel für die Rolle von Wissensgemeinschaften als Katalysatoren für Inspiration und Transfer.

NRP: ein strategischer Hebel für die Regionen

Mit der Neuen Regionalpolitik unterstützen die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Kantone Projekte, die ausserhalb der grossen städtischen Zentren wirtschaftlichen Mehrwert schaffen. Die kantonalen NRP-Stellen begleiten die Projektträger – Unternehmen, Gemeinden, Vereine – und bieten ihnen finanzielle und methodische Unterstützung.

Alle Ergebnisse dieser Wissensgemeinschaften werden veröffentlicht und sind auf regiosuisse.ch verfügbar. So können nicht nur die Teilnehmenden auf die ausgetauschten Inhalte zurückgreifen, sondern auch alle anderen Interessierten. Luc Jaquet betont zudem, dass bestimmte WiGe, in deren Rahmen weiterer Vertiefungsbedarf festgestellt wird, zur Einrichtung sogenannter permanenter Themenplattformen führen können. Dies war bereits bei den Themen Digitalisierung und Regionalentwicklung sowie Kreislaufwirtschaft der Fall.

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Das neue regioS bringt Kreislaufwirtschaft auf den Punkt

Wussten Sie, dass in der Schweiz 19 Tonnen Rohstoffe pro Person und Jahr verbraucht werden? Und global, wie auch in der Schweiz nur 6,9 Prozent der verarbeiteten Materialien recycelt sind? Das könnte sich ändern, wenn die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft konsequenter umgesetzt würden. Dazu mehr in unserer ersten Ausgabe «regioS – Regionalentwicklung kompakt».

Kreislaufwirtschaft steht für einen schonenden Umgang mit Ressourcen und die Wiederverwertung von Materialien. Sie ist mehr als nur Recycling. Es geht darum, sogenannte Abfälle als Ressourcen oder upgecycelte Rohstoffe zu sehen und diese wieder in den Produktionsprozess zu integrieren. Wie das aussehen kann, zeigen drei Projekte, die von der Neuen Regionalpolitik (NRP) unterstützt werden:

  • aus upgecycelten Rohstoffen der Bierproduktion entsteht ein wertvolles High-Protein-Brot.
  • aus Forstabfällen werden mittels Destillation ätherische Öle produziert.
  • statt Plastik oder Textilien ins Ausland zu exportieren, werden diese direkt in der Region verarbeitet.

Herausforderung: Genügend Rohstoffe aus dem Recycling finden

Kreislaufwirtschaft kann in kleinen regionalen Projekten umgesetzt werden – sie muss aber auch im Grossen Anwendung finden. Denn die Industrie braucht grosse Mengen an Rohstoffen. Deshalb sollte sie möglichst viele Rohstoffe aus dem Recycling verwenden können. Die Herausforderung ist deren Verfügbarkeit – sei es wegen mangelnder Infrastruktur, fehlender Daten oder logistischer Hürden. Deshalb hat die Hochschule für Architektur und Technik Freiburg i.Ü. dafür eine Datenbank entwickelt, die Anbietende und Suchende zusammenbringt. Der sogenannte Value Chain Generator (VCG) wird heute vom Start-up VCG.AI in Stuttgart betrieben. Ein Folgeprojekt der Hochschule nutzt diese nun, um im Kanton Freiburg Kreislaufwirtschaft in Unternehmen zu fördern. Dabei arbeiten Hochschule, Kanton und Industrie zusammen. Details zu diesem Vorreiter-Projekt erfahren Sie in unserer Podcastserie «Region am Mikrofon», in der Folge 7: «Cradle-Alp» – Schritte hin zu einer erfolgreichen Kreislaufwirtschaft».

Praxistipps, um Kreislaufwirtschaft zu fördern

Viele setzen sich bereits für Nachhaltigkeit ein – aber es braucht noch mehr. Im regioS – Regionalentwicklung kompakt zum Thema Kreislaufwirtschaft ist deshalb auch ein Hinweis auf die Toolbox Kreislaufwirtschaft zu finden. Sie enthält Informationen und Praxistipps für alle, die nachhaltige Projekte umsetzen oder unterstützen möchten.

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RiCoNET – das Wallis und das Piemont denken Raumnutzung neu

In vielen Regionen stehen Räume und Gebäude leer oder werden nur sehr limitiert genutzt. Das Interreg-Projekt «Räumliche Regeneration und Kooperation für die grenzüberschreitende Governance» (RiCoNET) hat sich zum Ziel gesetzt, das Potenzial solcher unterbenutzten Räumlichkeiten zu analysieren und herauszufinden, wie es voll ausgeschöpft werden kann. Die schweizerisch-italienische Zusammenarbeit geht die Raumneunutzung gemeinsam an und gibt Impulse für andere Regionen.

Im Interview gibt Cristina Saviozzi, Co-Projektleiterin auf Schweizer Seite und Forscherin am Institut für Tourismus der HES-SO in Sion, Einblicke in die Herausforderungen und Erfolge des Projekts und erklärt, wieso das Neudenken von Räumen und Gebäuden uns in der Zukunft immer mehr beschäftigen wird.

Frau Saviozzi, welche Ziele verfolgten Sie mit dem Projekt RiCoNET?

RiCoNET setzte sich mit der Revitalisierung unterbenutzter Räumlichkeiten in den schweizerisch-italienischen Grenzgebieten im Wallis und im Piemont auseinander. Dafür haben wir verglichen, welche Methoden in beiden Ländern zur Anwendung kommen. Ausserdem haben wir Workshops und Schulungen zur Thematik angeboten.

Wer war daran beteiligt?

Das Projekt wurde auf Schweizer Seite von der HES-SO und auf italienischer Seite von der Universität Ostpiemont geleitet. Es fand in enger Zusammenarbeit mit der italienischen Stadt Biella und mit den Walliser Gemeinden Riddes und Isérables statt. Die Schweizer Projektpartner wurden über Interreg-Mittel der Neuen Regionalpolitik unterstützt, die italienischen Partner über Interreg-Gelder der EU. Ohne diese Unterstützung wäre ein Projekt dieser Grösse nie zustande gekommen

RiCoNET wurde offiziell 2023 abgeschlossen. Ist das Projekt heute trotzdem noch relevant?

Unbedingt! Unterbenutzte Räumlichkeiten gibt es überall. Biella ist eine Stadt, Riddes und Isérables sind kleine Berggemeinden und doch verbindet die Thematik alle drei. Mit dem gesellschaftlichen Wandel ändern sich die Bedürfnisse in den Regionen und immer mehr Räumlichkeiten verlieren ihren ursprünglichen Nutzen.

Das zeigte zum Beispiel unser Workshop in Isérables: Die traditionellen Agrarpraktiken in Berggebieten haben sich – nicht zuletzt durch den Klimawandel – verändert und viele der Getreidespeicher stehen heute leer. Im Workshop haben wir Ideen dafür entwickelt, wie sie ihren Gemeinden trotzdem einen Mehrwert bieten können – als Kulturstätten, Tourismusattraktionen oder als Mehrzweckräume.

Auf unserer Webseite stellen wir auch weiterhin die Ressourcen zur Verfügung, die wir an unseren Workshops erarbeitet und an unseren Schulungen geteilt haben. RiCoNET ist in diesem Sinne weiterhin aktiv und relevant.

Können Sie die Massnahmen, die im Rahmen von RiCoNET stattgefunden haben, genauer beschreiben?

Wir haben mit den Studierenden beider Hochschulen Workshops durchgeführt, an denen wir unterbenutzte Räumlichkeiten in den Partnergemeinden besuchten und Neunutzungsmöglichkeiten dafür andachten. Für ein leerstehendes Industriegebäude in Biella entwickelten wir zum Beispiel einen Ansatz, wie es neu für kulturelle Anlässe und für öffentliche Zusammenkünfte verwendet werden könnte. Ausserdem haben wir das «Living Lab RiCoNET» ins Leben gerufen – eine Wissens- und Austauschplattform für Methoden und Ideen zur Umfunktionierung ungenutzter Räumlichkeiten.

An wen richtet sich die Wissens- und Austauschplattform?

Living Lab RiCoNET ermöglicht den Austausch zwischen verschiedenen Zielgruppen. Bürgerinnen und Bürger können untergenutzte Räume identifizieren und Ideen für deren Neunutzung vorschlagen.

Die Plattform richtet sich auch an die öffentliche Verwaltung, indem ihr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, mit denen sie die vorübergehende Neunutzung ungenutzter Räumlichkeiten angehen kann.

Schliesslich begrüsst die Plattform auch Fachleute aus der Stadtplanung und Architektur, die auf Grundlage der Diskussionen im Living Lab Ideen austauschen und Erneuerungsprojekte in Betracht ziehen können.

Sie haben erwähnt, dass es sich bei RiCoNET um eine Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Italien handelt. Wie hat sich die Zusammenarbeit gestaltet?

Die Thematik beschäftigt beide Länder. Durch die enge Zusammenarbeit konnten wir unser Wissen austauschen und vereinen. Wir konnten Wirtschaftsstudierende aus Italien und Tourismusstudierende aus der Schweiz für Diskussionsrunden zusammenbringen. Da unsere drei Partnergemeinden sich geografisch und demografisch stark unterscheiden, konnten wir die Raumentwicklung in einem breiten Spektrum andenken.

Was war besonders schwierig?

Covid hat uns dazu gezwungen, Schulungen online statt vor Ort abzuhalten. Wir mussten uns ausserdem intensiv mit den Rechtstexten beider Länder auseinandersetzen, da es keine nationalen oder internationalen Gesetze zur temporellen Umfunktionierung von Räumlichkeiten gibt, sondern nur Verordnungen auf Gemeindeniveau.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Auf die drei Toolkits, die aus unseren Workshops entstanden sind und die wir der öffentlichen Verwaltung und anderen Interessentinnen und Interessenten zur Verfügung stellen! Sie sind das greifbare Resultat unserer Arbeit. Auf einem abstrakteren Niveau die Tatsache, dass wir Studierende aus zwei Ländern mit unterschiedlichen Studiengängen zusammenbringen konnten. Von diesem Austausch haben wir alle profitiert. Nicht zuletzt arbeiten wir bereits an einem neuen Projekt. Es beschäftigt sich ebenfalls mit der Umfunktionierung von leerstehenden Räumlichkeiten zu Multifunktionsflächen, von denen Gemeinden profitieren können.

Weitere Informationen zu RiCoNET

Fotos: RiCoNET