Das Schweizer Frühstück ist mehr als bloss Birchermüesli: Hotelbetriebe, die gezielt auf regionale Frischeprodukte und lokale Spezialitäten setzen, können bei ihren anspruchsvollen Gästen mit einem unverwechselbaren Geschmacks- und Genusserlebnis punkten. Mit diesem Ziel vor Augen lancierten mehrere Branchenorganisationen gemeinsam das Innotour-Projekt «Schweizer Regionalfrühstück als Positionierungsmerkmal». Die Ergebnisse des Ende 2022 abgeschlossenen Vorhabens sind in eine Broschüre eingeflossen – eine Handlungsanleitung für alle Betriebe, die nun ihr eigenes Regionalfrühstück kreieren möchten.
Die Brotauswahl am Frühstücksbuffet in der Kartause Ittingen TG klingt verführerisch: Zopf mit und ohne Sesam, Roggen- und Hausbrot, alles direkt aus dem Holzofen, darüber hinaus Sauerteig- und Grahambrot sowie vier Sorten Gipfeli. Zudem Konfitüren aus Äpfeln, Aprikosen und Brombeeren, Brie-, Blauschimmel- und verschiedene Hartkäse, Kräuterquark, Molkereibutter, saftiger Schinken, eine vegane Paste aus gegrillten Peperoni, Apfelringli und Birnbrot sowie ein rustikales Birchermüseli. Zum Trinken gibt es Molke mit pürierten Erdbeeren und einen Saft aus ausgepresstem Dinkelgras und Süssmost. Sämtliche Speisen sind frisch zubereitet und schmecken vorzüglich. «Fast alles ist hausgemacht», sagt Valentin Bot, Direktor des auf Seminar- und Feriengäste ausgerichteten Drei-Sterne-Superiorhotels. Die meisten Zutaten stammen aus der Region – mal abgesehen von den Kaffeebohnen. Industrielle Convenience-Produkte wie Käse in roter Wachshülle? Fehlanzeige!
Tradition und Trend zugleich
Der Frühstückstraum, den das Team in Ittingen den Gästen jeden Morgen hinzaubert, ist das Paradebeispiel des Innotour-Projektes «Schweizer Regionalfrühstückals Positionierungsmerkmal». Lanciert haben das Vorhaben der Branchenverband HotellerieSuisse, der Schweizer Kochverband (SKV), die Hotelfachschule Thun und das Culinarium Alpinum, ein Kompetenzzentrum für alpine Regionalkulinarik in Stans NW. Das zweijährige, Ende 2022 beendete Innotour-Projekt hat der Bund mit knapp 100’000 Franken unterstützt.
Für die Kartause Ittingen, die sich als einer von acht Testbetrieben mit Begeisterung engagierte, war nicht alles neu. «Regionalität hat bei uns Tradition und geniesst schon lange einen hohen Stellenwert», betont Bot. Das wissen auch immer mehr Hotelgäste zu schätzen. «Die Nachfrage nach regionalen Produkten auf dem Esstisch gehört heute zu einem der stärksten Trends in unserer Branche», bekräftigt der Hoteldirektor.
Bei der Zubereitung ihres Thurgauer Frühstücks profitiert die Kartause Ittingen von ihrem hohen Selbstversorgungsgrad. Zum früheren Kloster in der Nähe von Frauenfeld gehört ein Gutsbetrieb mit hundert Hektaren Äckern, Wald und Wiesen, Rindern, Schweinen, Schafen und Hühnern, einem Rebberg, Gemüse- und Kräuterbeeten, einer Imkerei sowie einer Forellenzucht. «Ausserdem betreiben wir eine Bäckerei, eine Käserei und eine Metzgerei», erklärt Bot. Von so vielen Vorteilen bei der Beschaffung können die meisten Hotels nur träumen. Dies hinderte die sieben weiteren Pilotbetriebe dieses Projektes nicht daran, sich ebenso ambitiöse Ziele bezüglich Regionalität zu stecken.
Grundlagenarbeit und Expertenerwartungen
Um die Einstiegshürde für alle interessierten Betriebe zu senken, erarbeiteten Hotelfachstudierende und Berufsfachschülerinnen und -schüler wichtige Grundlagen. Sie identifizierten die Vielfalt der regionalen Spezialitäten in den jeweiligen Regionen, analysierten Angebot und Nachfrage und erstellten Businessanalysen. Dann ging es für die acht Pilotbetriebe darum, zu zeigen, wie ihr eigenes Regionalfrühstück aussehen könnte. Fasst man das leckere Resultat dieser Bemühungen zusammen, präsentiert sich auf den Tellern ein überraschend vielfältiger regionaler Querschnitt durch die Schweizer Frühstückslandschaft. Ihren Beitrag dazu leisteten die Hotels Steinenschanze (Basel), Grand Hôtel Les Endroits (La Chaux-de-Fonds NE), Saratz (Pontresina GR), Adler (Adelboden BE), Federale (Lugano TI), Paxmontana (Flüeli-Ranft OW), das Chandolin Boutique Hotel (Chandolin VS) und die erwähnte Kartause Ittingen.
Lohnender Mehraufwand
Die Erwartungen von Dominik Flammer, Ernährungsexperte und Initiator des Culinarium Alpinum, gingen allerdings nicht auf Anhieb in Erfüllung. «Zum Frühstück wünsche ich mir auch Produkte, die die Landschaft zum Ausdruck bringen und die Gäste überraschen; in Graubünden etwa mit einer Grauviehbutter mit Baumnüssen, im Wallis mit Evolener Butter mit Rauchsalz der Saline von Bex, ausserdem mit Tee aus regionalen Kräutern und mit regionalen Käsesorten», zählt Flammer einige Spezialitäten auf, die schliesslich in einer zweiten Projektrunde kreiert wurden. Im Kanton Zug seien sortenreine Konfitüren aus verschiedenen Kirschen geradezu Pflicht, im Jura ein Vacherin Mont d’Or und ein Jura-Gruyère, doppelt der Experte nach.
Die grösste Herausforderung des Projekts war die Logistik. Die meisten Betriebe hatten die Beschaffung fürs Frühstück neu zu organisieren und dafür lokale und regionale Lieferanten zu gewinnen. Der damit verbundene Mehraufwand dürfte auch in Zukunft die grösste Hürde bleiben für Hotels, die auf Regionalfrühstück umstellen möchten. Zwar können die Betriebe mit Fertigprodukten beliebiger Marken unbestritten Geld sparen. Lukas Gasser, Projektverantwortlicher von HotellerieSuisse, bezweifelt allerdings, dass mit einem solchen Sparregime die Rechnung wirklich aufgeht. «Ein hochwertiges Frühstück aus regionalen Produkten gehört heute zu den entscheidenden Faktoren des Gesamtangebotes eines Hotels», äussert er mit Nachdruck.
Um die im Rahmen der acht Pilotversuche entwickelten Frühstücksvorschläge zugänglich zu machen, sind die Ergebnisse in eine kürzlich erschienene Broschüre* eingeflossen. Diese dient als Ratgeber und praxisbezogenes Hilfsmittel zugleich. Ab sofort gibt es also keinen Grund mehr, am Morgen auf ein umfassendes und authentisches Genusserlebnis im Hotel zu verzichten.
* kostenlos für Mitglieder von HotellerieSuisse, CHF 50.00 für Nichtmitglieder