«Plattform Haslital» – mehr als ein Co-Working-Space

Pirmin Schilliger

Die «Plattform Haslital» wurde von einem kleinen privaten Team aus acht Personen, die zu diesem Zweck einen Verein gründeten, lanciert. Nach einer rund anderthalbjährigen Vorbereitungs- und Testphase, die von der Neuen Regionalpolitik (NRP) unterstützt wurde, ging der Co-Working-Space am 30. März 2019 in Betrieb. Mit seinem Angebot für ortsunabhängiges Arbeiten und mit verschiedenen öffentlichen Anlässen hat er sich rasch etabliert. In den nächsten Jahren soll er sich weiter zur Drehscheibe für regionale Innovation und zum kulturellen und gesellschaftlichen Treffpunkt im Haslital entwickeln.

David Risi ist seit Jahren Ferienhausbesitzer in Meiringen BE. Ab diesem Sommer wird der Ort im Berner Oberland nun auch zu seinem Wohnsitz. Dass der Stadtzürcher mit seiner Familie umzieht, hängt nicht zuletzt mit dem neuen Co-Working-Space «Plattform Haslital» zusammen. Diesen wollte Risi eigentlich erst nach dem Umzug wirklich nutzen. Mit dem Ausbruch der Corona-Krise änderte sich die Situation aber schlagartig. Mit dem Lockdown Mitte März zog er sich – vorerst provisorisch – mitsamt seiner ganzen Familie ins Haslital zurück. Im Co-Working-Space erledigte er in den folgenden Wochen mehr als vier Fünftel seines Arbeitspensums. An seinen Arbeitsort, die Stadtgärtnerei Luzern, pendelte der Umweltingenieur während dieser Zeit nur noch sporadisch. Auch in Zukunft möchte er möglichst oft in der «Plattform Haslital» arbeiten, denn mittlerweile ist sie für ihn mehr als nur ein Arbeitsort. «Es ergeben sich laufend inspirierende Kontakte zu interessanten Menschen, und die Ideen spriessen», lässt er schon fast geheimnisvoll verlauten.

Docking-Station

Barbara Willener, in Guttannen zu Hause, schätzt die «Plattform Haslital» als eine von mehreren Stationen im Rahmen ihrer Tätigkeit als Co-Geschäftsleiterin von Qualifutura (vgl. «regioS» Nr. 10, S. 27). Die Institution unterstützt Jugendliche im ganzen Kanton Bern bei der sozialen und beruflichen Integration. Willener ist viel unterwegs zwischen Biel, Bern, Interlaken und Meiringen. In der «Plattform», bei der sie sich als Mitglied der Betriebsgruppe engagiert, hält sie unter anderem Coachings und Sitzungen ab. «Ich erspare mir damit einige Wege», resümiert Willener.

In den Räumlichkeiten, die sich in einem ehemaligen Architekturbüro befinden, bildet der Co-Working-Space das Grundangebot. Zur Verfügung stehen zehn Arbeitsplätze, die tageweise gemietet werden können. An der modernen Büroinfrastruktur kann sich jeder umstandslos mit seinem Laptop andocken zum Preis von 25 Franken pro Tag oder 300 Franken pro Monat. Zur weiteren Ausstattung gehören eine Kaffee-Ecke, ein Sitzungs- und Seminarraum, ein Schaufenster für Wechselausstellungen sowie eine Tauschboutique. «Man kann bei uns Arbeitsplätze, Besprechungszimmer oder Anlässe buchen, man kann aber auch einfach für einen Kaffee vorbeikommen und auf dem Sofa gemütlich die Zeitung lesen», erklärt Daniel Studer. Der Geograf, der als Projektleiter bei IC Infraconsult in Bern arbeitet und für seinen Arbeitsweg mit dem Zug zwei Stunden benötigt, arbeitet regelmässig zwei bis drei Tage pro Woche in der «Plattform».

Daniel Studer (links) und Urs Zuberbühler installieren im Schaufenster der «Plattform Haslital» Werbung für eine energieautarke Wohneinheit. © regiosuisse

Arbeitsort und Treffpunkt des öffentlichen Lebens

 «Für die rund 190 Langstreckenpendler, die wir in Meiringen zählen, könnte der Co-Working-Arbeitsplatz vor Ort eine interessante Alternative sein», glaubt Studer, der auch öfter in seiner Funktion als Präsident der Trägergenossenschaft «Plattform Haslital» im Co-Working-Space anzutreffen ist. Seine Präsenz ist unter anderem gefragt bei den zahlreichen Anlässen, die hier über die Bühne gehen. Die «Plattform» dient zwar primär Selbständigen sowie Angestellten von Jungunternehmen, etablierten Firmen und der öffentlichen Verwaltung als Arbeitsort. Sie soll sich darüber hinaus aber zu einer innovativen Keimzelle und zu einem kulturellen und gesellschaftlichen Treffpunkt in der Region entwickeln. Im ersten Jahr fanden etwa ein Konzert, eine Buchvernissage und verschiedene Workshops statt. Die «Plattform» machte mit am Strassenfest und an der 5. «Work Smart Week», einer nationalen Arbeitswoche zur Zukunft der Arbeit. Eine Berner IT-Firma führte in der «Plattform Haslital» ausserdem ein Weiterbildungscamp durch. Ein grosser Publikumserfolg war das erste Repair-Café Haslital im Oktober 2019. Studer, der auch Gemeinderat ist, meint: «Wir setzen uns als Trägergenossenschaft der ‹Plattform› für ein bisschen mehr Urbanität im Alpenraum ein, ohne jedoch die Stadt kopieren zu wollen. Vielmehr fragen wir uns, was bei uns im Haslital zum Erhalt einer hohen Arbeits-, Wohn- und Lebensqualität alles notwendig ist.»

Breite Abstützung und enge Vernetzung

Im Umfeld der «Plattform Haslital» ist ein erstaunlich vielseitiges, innovatives «Biotop» entstanden. Das Startup-Unternehmen Innovenergy hat mit drei Mitarbeitenden den Firmensitz im selben Haus eingerichtet. Es entwickelt und produziert Salzbatterie-Speichersysteme. Auf die Unterstützung der «Plattform» zählte auch Guggers Garden Greens, ein Startup-Unternehmen, das Hochbeete mit seltenen Blumen- und Gemüsearten produziert. Ausserdem wirkt die «Plattform» mit bei einem Projekt für eine energetisch nachhaltige Käseproduktion. Weiter gibt es hier den «Plattformdschungel», einen saisonalen Ausstellungs- und Experimentierraum für Büropflanzen. Aus der Partnerschaft mit dem UNESCO-Weltkulturerbe Swiss Alps Jungfrau Aletsch (SAJA) könnte sich überdies bald eine Drehscheibe für das SAJA-Welterbe entwickeln.

Max Ursin, Geschäftsführer des Start-ups Innovenergy, nutzt die «Plattform Haslital» in Meiringen. © regiosuisse

«Wir sind eine klassische Bottom-up-Bewegung», stellt Studer fest. Unterstützer, Partner oder Sponsoren der Trägergenossenschaft sind die Regionalkonferenz Oberland Ost, das UNESCO-Weltkulturerbe SAJA, regionale Unternehmen und Gewerbebetriebe, die Universität Bern, das Amt für Wirtschaft des Kantons Bern, die Stelle für Standortmarketing und Regionalentwicklung Haslital Brienz sowie die fünf Haslitaler Gemeinden. Die NRP hat das Projekt «Plattform Haslital» mit einer Anschubfinanzierung von 93 000 Franken unterstützt. Ziel sei es nun, möglichst bald schwarze Zahlen zu schreiben, betont Studer. Er gibt sich zuversichtlich: «Inzwischen arbeiten bei uns regelmässig rund ein Dutzend Abonnenten, sogenannte ‹Plattformer*innen›, plus etliche Tagesgäste – deutlich mehr, als wir bei der Eröffnung erwartet haben. Und die Resonanz wird stetig grösser.»

regiosuisse.ch/nrpplattformhaslital.ch«Plattform Haslital» in der Projektdatenbank auf regiosuisse.ch

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